Vorarbeit
für eine kritische Geschichte der Vierten Internationale
von Jochen Ebmeier
im Februar 1971
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1
Vorbemerkung
Die vorliegende
Arbeit ist durchaus nicht 'voraussetzungslos'. Sie geht vielmehr davon aus,
dass jede Diskussion um den proletarischen Internationalismus, will sie irgend
einen Anspruch auf praktische Relevanz haben, das Problem der Internationale in ihren Mittelpunkt rücken
muss; mehr noch: dass es nicht um irgendeine Internationale geht, sondern um
die Vierte. Die 'Vier' ist dabei
nicht einfach eine Frage der Nummerierung, sondern des Programms: Wir gehen in dieser Arbeit davon aus, dass der Aufbau
einer internationalen Partei der Arbeiterklasse nicht bei Null anfangen kann,
gleichsam als habe die Arbeiterklasse bis zum heutigen Tag keine politische
Geschichte gehabt. Die neue Internationale kann nicht so tun, als habe es ihre Vorgängerinnen,
insbesondere die Kommunistische Internationale, nie gegeben: Sie muss im
Gegenteil die historische Kontinuität der Arbeiterbewegung an der Stelle
wiederherzustellen trachten, wo der Stalinismus sie zerrissen hat, als er die
Komintern in ein Instrument der sowjetischen Diplomatie verwandelte und damit
als kommunistische Weltpartei zerstörte. Sie muss an dem Kampf anknüpfen, den
die Internationale Linke Opposition in der Dritten Internationale um das
Programm der internationalen kommunistischen Revolution geführt hat – sie kann
nur eine trotzkistische
Internationale sein.
Wer mit dieser
praktischen Seite des proletarischen Internationalismus so wenig anfangen kann,
dass er die Frage nach der Existenz oder Nicht-Existenz eben dieser Vierten Internationale
als kommunistischer Weltpartei als einen "inner-trotzkistischen Familienstreit"
abtut, wäre gut beraten, wenn er die vorliegende Arbeit ungelesen beiseite
legte. Die Aufgabe, die Vierte Internationale aufzubauen, ist schließlich nicht
unversehens vom Himmel gefallen; sie stellt sich seit spätestens 1933. Sie hat
ihre eigene Geschichte. Und das ist keine Geschichte von körperlosen Abstraktionen,
sondern von praktischen, d. h. organisierten Kämpfen. Es ist die Geschichte der
fraktionellen Spaltungen der trotzkistischen Weltbewegung. Wem die
Fragestellung auf dieser Ebne zu profan und mühselig erscheint, wer es
vorzieht, politische Probleme als Auseinandersetzung zwischen 'reinen Ideen' zu
behandeln, ungeachtet der materiellen, nämlich organisatorischen Gestalten, die
sie anzunehmen pflegen, der sollte sich einen für philosophische Kontemplationen
besser geeigneten Gegenstand suchen. Unsere theoretischen 'Voraussetzungen'
sind die Methoden der materialistischen Geschichtsauffassung, und darum setzen
wir uns mit Ideen stets in Gestalt ihrer jeweils konkreten geschichtlichen Wirklichkeit auseinander.
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2
Literatur:
Die
Geschichte der Vierten Internationale ist noch nahezu jungfräulicher Boden. I[saac] Deutscher widmet dem Thema in
seiner Trotzki-Biographie so gut wie gar keine Beachtung; das hat politische
Gründe: Deutscher hielt Trotzkis Kampf für die Vierte Internationale für eine
Marotte.
Es
gibt praktisch keine systematische Darstellung der Geschichte der Vierten oder
des Trotzkismus. Eine recht brauchbare, aber sehr grobe Skizze ist die
Broschüre von
J. J. Marie: Le trotskysme, Paris 1970
Bei
der Lektüre ist jedoch zu bedenken, dass der Verfasser von einem fraktionellen
Standpunkt – dem der 'Lambertisten' – aus schreibt, was in seiner Darstellung
stellenweise spürbar wird.
So
gut wie unbrauchbar ist dagegen die Broschüre von
Pierre Frank, La Quatrième Internationale, Paris 1969
Es
handelt sich um eine bloße Rechtfertigungsschrift, die die Geschichte des
Trotzkismus auf die Dokumente der sogenannten "Weltkongresse" reduziert und die
Probleme der nationalen Sektionen – das heißt der praktischen Realität der
Organisation – erklärtermaßen ausspart.
Als
materialreiche Quelle gut geeignet ist die Arbeit von
Stéphane Just, Défense
du trotskysme, in: La vérité N°s
530/31, Paris, Sept. 1969
Es handelt sich hierbei allerdings um ein ausgesprochen fraktionelles Pamphlet -. Ebenfalls
vom Standpunkt der 'Lambertisten'.
Ebenfalls von den Lambertisten stammt die
Broschüre
Quelques enseignements
de notre histoire, supplément
à La vérité N° 458, Paris, Mai 1970
Es
handelt sich um eine Darstellung der Entwicklung der französischen
trotzkistischen Bewegung, die wegen ihrer ziemlich rücksichtslosen Selbstkritik
in ihrer Art einmalig ist – und merkwürdig mit dem politischen Auftreten der
Gruppe kontrastiert.
Zum
Verständnis der gegenwärtigen Wirklichkeit des 'Vereinigten Sekretariats', auf
die wir in dieser Arbeit nur am Schluss kurz eingehen, ist sehr aufschlussreich
Marxismus
oder Empiriodogmatismus (Die Internationalen
Kommunisten Deutschlands antworten dem 'Vereinigten Sekretariat der Vierten
Internationale'), Berlin, August 1970
Eine
nützliche Quelle für die Geschichte des französischen Trotzkismus ist
Léon Trotsky, Le movement
communiste en France, Hg. Pierre Broué, Paris 1967
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3
Die aus drei Heften bestehende Ausgabe von
Leon Trotsky, Writings 1937-40, New
York, 1970
konnte für die vorliegende Arbeit leider noch nicht
ausgewertet werden.
Die andern in dieser Arbeit benutzten Quellen
werden im Text nachgewiesen. Hier sei nur noch besonders auf den Aufsatz von
Duncan Hallas, „Building The Leadership“, ‘Orthodoxer
Trotzkismus’ und die politischen Wurzeln der Socialist Labour League (in
deutscher Sprache, hektographiert, o. O., o. J. / Ffm. 1969)
hingewiesen.
Es handelt sich um eine sehr interessante Kririk an der englischen
Healey-Gruppe, verfasst vom Standpunkt der ‚staatskapitalistischen‘ Gruppe International Socialism.
Bei
den nicht näher nachgewiesenen Trotzki-Zitaten handelt es sich um hektographierte
Flugschriften oder Broschüren ohne Orts- und Jahreszahl, mit Ausnahme von ,In Defense Of Marxism‘, das
versehentlich nicht belegt wurde: London 1966
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4
Über zweiunddreißig Jahre nach ihrer offiziellen Proklamation bietet die Vierte Internationale das
Bild einer gestaltlosen Agglomeration von zahllosen "Internationalen", "Parteien", Gruppen und Grüppchen, die alle unter dem wenig prägnanten Etikett 'trotzkistische Weltbewegung' zusammengefasst werden, damit das Ganze doch noch einen gemeinsamen Nenner findet. Zählt man als 'trotzkistisch' allein jene Gruppen, die nicht nur dieses Etikett für sich selbst in Anspruch nehmen, sondern zugleich behaupten, in der einen oder andern Form das Erbe der unter Trotzkis Ägide 1938 gegründeten 'Weltpartei der sozialistischen Revolution" zu verkörpern, so kommt man allein in Großbritannien auf mindestens neun, in Frankreich auf wenigstens fünf, und in Ceylon auf vier Gruppen – und sogar Westdeutschland bringt es auf die stolze Zahl fünf. Es gibt zweieinhalb "Internationalen" - die des 'Vereinigten Sekretariats', die von Juan Posadas in Lateinamerika und das 'Internationale Komitee' von Healey-Lambert, das mit sich noch nicht ins Reine gekommen ist, ob es nicht vielleicht auch Anspruch auf diesen Titel erheben soll. Daneben steht die 'Revolutionär-Marxistische Tendenz' von Michel Pablo-Raptis, die zwar nicht von sich behauptet, eine komplette Weltpartei vorzustellen, die sich aber doch von niemandem den Rang streitig machen lässt, der wahre Bannerträger der Traditionen der Vierten Internationale zu sein. Die jeweiligen nationalen Sektionen dieser internationalen Tendenzen werde in ihren respektiven Ländern von national isolierten Gruppen ergänzt, die aus dem einen oder andern Anlass irgendwann aus der einen oder andern "Internationale" hervorgegangen sind und die Hoffnung nicht aufgeben, eines Tages auch wieder einer Weltpartei angehören zu dürfen.
Allein dieser Zustand der Atomisierung ist oberflächlichen Gemütern meist schon der Beweis für das
historische Scheitern der Vierten Internationale und des Trotzkismus insgesamt. Er scheint all jenen Skeptikern und Zentristen Recht zu geben, die sich 1938 gegen die Gründung einer neuen Internationale ausgesprochen hatten. War die Proklamation der Internationale also ein Fehler?
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5
Indem die Bolschewiki-Leninisten allerdings die Brücke zur Komintern hinter sich verbrannten, gingen sie zugleich auch der letzten, ohnehin nicht allzu soliden Brücke verlustig, die sie bis dahin mit der proletarischen Massenbewegung, mit den wirklichen Klassenkämpfen verbunden hatte. Und in dieser Situation mussten die in der Vergangenheit erworbenen propagandistischen Deformationen sich zu einem verdoppelten und verdreifachten Hindernis auf dem Weg zur proletarischen Avantgarde auswachsen.
"Unsere Lage ist heut unvergleichlich schwieriger als die irgendeiner anderen Organisation zu irgendeinem anderen Zeitpunkt, denn hinter uns liegt der grauenhafte Verrat der Kommunistischen Internationale, die ihrerseits aus dem Verrat der zweiten Internationale hervorgegangen ist. Die Degeneration der Dritten Internationale hat sich so rasch und so unerwartet entwickelt, dass dieselbe Generation, die ihrer Gründung beigewohnt hatte, jetzt uns hört und sagt: 'Aber das haben wir doch alles schon einmal gehört...!'
Dazu kommt die Niederlage der Linken Opposition in Russland. Die Vierte Internationale ist mit der Linken Opposition genetisch verbunden; deshalb nennen die Massen uns Trotzkisten. 'Trotzki will die Macht erobern, aber weshalb hat er die Macht denn verloren?' Das ist eine ganz elementare Frage. Wir müssen damit anfangen, dies aus der Dialektik der Geschichte zu erklären, aus dem Konflikt zwischen den Klassen, daraus, dass eine Revolution eben auch eine Reaktion hervorruft. ... Nichts auf der Welt ist so überzeugend wie der Erfolg, und nichts ist für die breiten Massen so abstoßend wie eine Niederlage.
Aber die Massen werden nicht durch theoretische Prognosen erzogen, sondern von er allgemeinen Erfahrung ihres Lebens. ... Ich erinnere mich an ein paar Diskussionen, die wir 1927 in Moskau führten, als Stalin uns entgegenhielt, dass Borodin wachsam sei und dass also Tschiang Kai-schek gar keine Gelegenheit haben würde, uns zu verraten, und so weiter. Ich glaube, die Tragödie hat nur acht oder zehn Tage später stattgefunden und unsere Genossen waren optimistisch, weil unsere Analyse so klar gewesen war, dass es nun jedermann einsehen müsse, und dass wir ganz sicher die Partei auf unsere Seite ziehen würden. Ich habe ihnen geantwortet, dass die Erdrosselung der chinesischen Revolution für die Massen tausendmal bedeutsamer ist als unsere Vorhersagen. Unsere Vorhersagen können vielleicht einige wenige Intellektuelle für uns gewinnen, die ein spezielles Interesse an solchen Dingen haben, aber nicht die Massen." (L. D. Trotzki, Interview mit C. L. R. James, April 1939)
So kann es nicht ausbleiben, dass sich die propagandistischen Verzerrungen zu intellektualistischen und kleinbürgerlichen Verhaltens- und Denkweisen auswachsen und sich schließlich immer stärker auch in der sozialen Zusammensetzung der neuen Organisation niederschlagen. Bereits zu Zeiten der fraktionellen Tätigkeit in der Komintern wies die Opposition nach Lage der Dinge einen für eine Arbeiterpartei überdurchschnittlich hohen Anteil von kleinbürgerlichen Intellektuellen und Halb-Intellektuellen auf. Nun, nach dem Zerreißen der Nabelschnur, die die Bolschewisten-Leninisten mit der Arbeiterbewegung verbunden hatte, wird die Gewinnung proletarischer Kaderelemente schwieriger als je zuvor.
Sicher:
"Jede Arbeiterpartei, jede Fraktion durchläuft in ihrem Anfangsstadium eine Periode der reinen Propaganda - das heißt der Einübung ihrer Kader. Diese Zeit der Existenz als ein bloßer marxistischer Zirkel bringt unvermeidlich die Gewohnheit hervor, an die Probleme der Arbeiterbewegung auf eine sehr abstrakte Weise heranzugehen. Wer nicht imstande ist, beizeiten den Schritt über diese beengte Existenz hinaus zu tun, verwandelt sich in einen konservativen Sektierer." (L. D. Trotzki, Zentrismus, Sektierertum und die Vierte Internationale, 22, 10. 1935)
Die Bolschewisten-Leninisten treffen bei ihrem Ausscheiden aus der Komintern jedoch eine historische Konjunktur an, die es ihnen besonders schwer macht, diesen entscheidenden Schritt zu tun: Die neue Bewegung ist in besonderem Maße von der Erstarrung zur konservativen Sekte bedroht,
"denn wir schwimmen gegen den Strom", sagt Trotzki zu C. L. R. James (a.a.O.). "Das ist die allgemeinste Erklärung - die ganze Situation ist gegen uns", und dies nicht erst seit 1939. Der ganze Zeitraum zwischen Hitlers Sieg und dem zweiten Weltkrieg ist geprägt davon. Und "selbst als wir kürzlich einen Aufschwung in Frankreich hatten, hing das mit der Volksfront zusammen. In dieser Situation war die Niederlage der Volksfront wieder einmal der Beweis für die Richtigkeit unserer Konzeption, wie damals die Zerschlagung der chinesischen Arbeiter. Aber die Niederlage ist eine Niederlage, und sie wirkt den revolutionären Tendenzen entgegen, solange, bis zu einem neuen Zeitpunkt ein neuer Aufschwung auf höherer Ebene einsetzt." (a.a.O.)
Die übelsten Auswirkungen hatten all diese Faktoren auf die französische Sektion, die doch einen strategischen Platz bei der Konzipierung der neuen Internationale eingenommen hatte. Die Bolschewisten-Leninisten rechneten seit 1934 mit einer revolutionären Krise in Frankreich, und deshalb wurde die französische Sektion während der dreißiger Jahre zum politisch-organisatorischen Zentrum der Bewegung. Aber schon während der vorrevolutionären Ereignisse von 1936 erweist die französische Organisation ihre Inkompetenz. Sie war seit Jahren von fraktionellen Auseinandersetzungen, Spannungen und Spaltungen heimgesucht worden, bei denen auch Zeitgenossen Mühe hatten, politische Differenzen von persönlichen Eitelkeiten und Cliquen-Rivalitäten zu scheiden. Die Streikwelle vom Mai 1936 findet den französischen Trotzkismus wieder einmal gespalten vor, nachdem derselbe Pierre Frank, der zunächst um keinen Preis in die SFIO hatte eintreten und später um keinen Preis hatte austreten wollen, eine eigene "Partei" gegründet hatte. Angesichts der heraufkommenden revolutionären Krise wurde die beiden wichtigsten trotzkistischen Gruppen hastig unter dem Namen P.O.I. vereinigt.
"Aber Vereinigung bedeutet noch keineswegs, dass die Organisation von ihrem Leiden kuriert sei.Die Spaltuung war kein Zufall. Die Spalter [gemeint ist die Gruppe Frank-Molinier] haben Schiffbruch erlitten. Aber nichts deutet darauf hin, dass sie alle viel aus diesem Schiffbruch gelernt haben. Keiner,der die Hauptverantwortlichen kennt, wird sich irgendwelchen Illusionen über die Zukunft hingeben. Die Entwicklung in Frankreich wird in der vor uns liegenden Periode äußerst krisenhaft sein., und jede Wendung kann innerhalb der Führungsschicht der französischen Sektion opportunistische oder abenteuerliche Reaktionen hervorrufen.Wenn ich dies so brutal ausspreche, so deshalb, weil mir die Erfahrungen der letzten sieben Jahre nicht gestatten, in dieser Hinsicht einen übertriebenen Optimismus zu nähren", schrieb Trotzki im Vorwort zu einer umfangreiche Polemik seines Sekretärs E. Wolff über die Zustände in der französischen Sektion- und richtig: nur zwei Monate darauf bricht der Fraktionskampf in altgewohnter Bitterkeit wieder auf.
In demselben Text fährt Trotzki fort:
"Die politische Etappe, die in diesem Augenblick in Frankreich zu Ende geht, haben wir als vorrevolutionär bezeichnet. In dieser Situation wäre ew für die französische Sektion darauf angekommen, den nötigen Schwung zu finden. Die Lage war schwierig, aber durchaus nicht ungünstig. Wenn die französische Sektion nach [ihrem Ausschluss aus der SFIO] die kraftvolle revolutionäre und internationalistische Offensive entfaltet hätte, die ihr durch sämtlich Umstände diktiert wurde, so hätte sie heute eine sehr viel größere Zahl von Mitgliedern und verfügte über eine unvergleichlich größere Autorität und Kampfkraft. Nun haben wir also in unserer eigenen Geschichte ein bedeutendes Beispiel für eine versäumte Gelegenheit - oder richtiger: für eine verpfuschte Gelegenheit; denn ... die Führung hat alles unternommen, um die Situation so wenig wie möglich auszunutzen." (L. D. Trotzki, Nach der Krise der Bolschewiki-Leninisten, 7. 6. 1936)
Und Erwin Wolff selbst (Pseud. Nicolle Braun) schreibt:
"Da doch keine der drei Fraktionen der bolschweistisch-leninistischen Gruppe tatsächlich unser Programm in seiner Gesamtheit verteidigt hat, musste ihr Widerstreit den Jungen als ein reines Cliquen-Gerangel erscheinen." (N. Braun, "Das Massenorgan", 1936)
In dem entscheidenden Augenblick, wo die französischen Bolschewiki-Leninisten erstmals vor der realen Möglichkeit standen, von der 'defensiven' der reinen Propaganda erstmals zur revolutionären Initiative überzugehen,wo sie erstmals die Chance gehabt hätten, das kommunistische Programm mit dem wirklichen, kämpfen-
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Woher konnte Trotzki bei einer so illusionslosen und nüchternen Einsicht in die völlige Unzulänglichkeit der Klassenzusammensetzung selbst der amerikanischen Sektion, die von allen doch noch die solidesten Wurzeln in der Arbeiterbewegung ihres Landes hatte, die Zuversicht nehmen, dass diese schwache und zerbrechliche Internationale erfolgreich den Kampf um die Führung des Weltproletariats würde aufnehmen können? Woher der Mut, unter diesen etwas desolaten Umständen dennoch die Vierte Internationale als bestehende "Weltpartei der sozialistischen Revolution" zu proklamieren? Gaben
kriegs. Der Kampf gegen den imperialistischen Krieg hatte seit 1934 die Achse für die politische Orientierung [der Bolschewisten-Leninisten gebildet] , der unversöhnliche Kampf gegen alle Spielarten des Pazifismus und Sozialpatriotismus gibt der Vierten Internationale ihre unverkennbare Physiognomie. Die Gründe der Vierten Internationale gründen ihre Prognose über die Entwicklungsrhythmen vollkommen auf die Voraussage des Weltkrieges und der revolutionäre Krise, die er hervorrufen würde.
"Der Krieg lässt nur für zwei Tendenzen in den Reihen der Arbeiterbewegung Platz: den Sozialpatriotismus, der vor keinem Verrat haltmacht, und für den revolutionären Internationalismus, der unbeugsam ist un imstande, bis zum Ende zu gehen."
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Trotzkis Optimismus gegenüber den revolutionären Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges und sein Unmut über den Zustand der französischen Sektion führten ihn sogar zu dem durchaus umstrittenen Entschluss, dass diese sich der links-zentristischen PSOP anschließen solle, die sich von der SFIO abgespalten hatte - ein Manöver, von dem er sich die "Schaffung einer wahrhaft revolutionären Avantgarde von einigen tausend Leuten" erhoffte. Stattdessen führte auch dieser Schritt wieder zu einer Spaltung der Sektion. Die Mehrheit, die keine Hoffnung in die PSOP setzen mochte, weigerte sich, den Entschluss zu vollziehen, und wurde aus der Internationsale ausgeschlossen. Die Minderheit jedoch konnte unmittelbar nach Kriegsausbruch nicht verhindern, dass das hybride Gebilde PSOP in tausend Stücke zerplatzte. Der Weltkrieg, der das Schicksal der Internationale hatte entscheiden sollen, fand die französische Sektion in einem Zustand völliger Desorganisation und politischer Verwirrung vor.
Aber natürlich hätten die "drei oder fünf" französischen Bolschewisten-Leninisten der enormen Aufgabe, die Trotzki ihnen zugedacht hatte, nur gerecht werden können, wenn sie von Anbeginn eine unabhängige internationalistische Haltung gegenüber der Krieg eingenommen hätte. Im 'Übergangsprogramm' hatte es immerhin unzweideutig geheißen:
"Die imperialistische Bourgeoisie beherrscht die Welt. Und eben deshalb wird deer kommende Krieg seinem Grundcharakter nach ein imperialistischer Krieg sein. Der wesentliche Inhalt der Politik der internationalen Arbeiterklasse wird daher der Kampf gegen den Imperialismus und gegen den Krieg sein. Das Grundprinzip dieses Kampfes wird lauten: 'Der Hauptfeind steht im eigenen Land' oder 'Die Niederlage unserer eigenen - imperialistischen Bourgeoisie ist das kleiner Übel'."
Dies war allerdings keineswegs die Position deer Mehrheit der französischen Anhänger der Vierten Internationale, die stattdessen vor dem Chauvinismus ihrer eigenen imperialistische Bourgeoisie kapitulierte und einen Block mit deren patriotischen Flügel anstrebte - eine von jenen "Verleumdungen" aus dem Mistkübel verbohrter Sekten* übrigens, die wir sogleich mit zwei Zitaten belegen wollen:
"Die französische Bourgeoisie hat sich in eine Sackgasse verlaufen: Um sich vor der Revolution zu retten, hat sie sich Hitler in die Arme geworfen. Um sich aus dessen Umarmung zu retten, bleibt ihr nur übrig, sich in die Arme der Revolution zu werfen. Wir sagen nicht, dass sie das frohen Herzens tun werden, noch dass diejenige Fraktion der französischen Bourgeoisie, die zu einem solchen Spiel imstande wäre, die bedeutendste ist: Die Mehrheit der Bourgeoisie erhofft heimlich ihr Wohl von England; eine starke Minderheit erhofft es von Hitler. Es ist die französische Fraktion der Bourgeoisie, der wir die Hand entgegenstrecken. …
Unsere Politik muss vor allem auf jene Fraktion der Bourgeoisie ausgerichtet sein, sie vor allem französisch sein will, die weiß, dass sie das Wohl Frankreichs nur von den Volksmassen erhoffen darf, die imstande ist, eine kleinbürgerliche nationalistische Bewegung hervorzubringen und die imstande ist, die Karte der französischen Revolution auszuspielen."
Ein ganzes Jahr nach Kriegsbeginn rechnet also die Mehrheit der französischen Anhänger der Vierten Internationale darauf, dass eine Fraktion der Bourgeoisie die "Volksmassen" in eine "Revolution von links oder rechts oder vielleicht von rechts und links" führen wolle; sie selbst bescheiden sich unterdessen damit, die "Reichtümer Frankreichs" zu verteidigen und vor allen Dingen "den großartigen Beitrag, den die französischen Schriftsteller und Gelehrten zum intellektuellen Erbe der Menschheit beigetragen haben." (a.a.O.)
Und vermutlich nur, um den Verleumder Mandel Lügen zu strafen, dem dieses Zitat spätestens seit der Weihnachtskonferenz 1969 der IKD bekannt ist, stellte die Europäische Konferenz im Februar 1944 in Anwesenheit seines Intimfreundes Germain fest:
"Statt zwischen dem Nationalismus der besiegten Bourgeoisie, der nach wie vor nur Ausdruck ihrer imperialistischen Absichten ist, und dem "Nationalismus" der Massen zu unterscheiden. der nur ei reaktionärer Ausdruck ihres Widerstandes gegen die Ausbeutung durch den Besatzer-Imperialismus ist, hielt die Führung der POI [späterer Name des Comité pour la Quatrième Internationale] den Kampf ihrer eigenen Bourgeoisie für progressiv, distanzierte sich nicht von Anbeginn vom Gaullismus und begügte sich damit, ihm einen "revolutionären" Ausdruck zu verleihen."
Aber nicht nur die französischen Trotzkisten erlagen dem ideologischen Druck seitens der Kleinbourgeoisie, für den sie aufgrund ihrer sozialen Zusammensetzung äußerst empfänglich waren, sondern ihre deutschen Genossen, die in ihrer Anpassung an die patriotische und demokratische Sentimentalität des Kleinbürgertums noch einige entscheidende Schritte weitergingen.
Das Auslandskomitee (A.K.) der damaligen IKD - die im Inland praktisch vernichtet worden waren - vertrat offen die These, dass sich die proletarisch-sozialistische Revolution in Europa Angesichts des 'Versagens' der Arbeiterklasse im Zweiten Weltkrieg in einer allgemeinen 'demokratischen' Revolution auflösen müsse, deren wesentliche Triebkraft die 'Nationale Frage' sein werde:
"Der Übergang vom Faschismus zum Sozialismus bleibt eine Utopie, wenn man sich nicht auf eine Zwischenetappe einstellt, die im Wesentlich einer demokratischen Revolution entsprechen wird." (Drei Thesen über die nationale Frage in Europa, 19. Okt. 1941, zit. nach J.-J. Marie, op. cit.)
Diese Position, die am Ende des Krieges noch weiter ausgebaut und systematisiert wurde (vgl. "Questions of the European Revolution", in Workers International News, July-August 1945, und "Two Balance Sheets", ebd., Sept.-Oct. 1946) führte konsequenterweise zu einer gründlichen Aufgabe des proletarischen Klassenstandpunktes:
"In ihrer praktischen Tätigkeit in Deutschland gingen die Protagonisten der IKD-Position von der Erwartung aus, dass Universitätsstudenten und verschiedene -schichten einer "nationalistischen Jugend" - ohne jede Klassen-Spezifizierung! - eine "nationale Revolution" führen würden, die angeblich alle Gesellschaftsklassen in Deutschland vereinigen werde!" (E. Grant, "National Democratic Revolution Or Proletarian Revolution: The Tasks in Germany". in W.I.N., Jan.-Feb. 1947)
Gewiss, diese Thesen der deutschen Emigranten-Sektion wurden von der Internationale zurückgewiesen; der Umstand indessen, dass einige zentrale Themen dieser Herausforderung an die trotzkistische 'Orthodoxie' auch in den Spaltungen der folgenden Jahre in der einen oder anderen Verkleidung immer wieder auftauchen sollten, deutet bereits darauf hin, dass sich hinter der offenkundigen Falschheit solcher revisionistischen Tendenzen eine äußerst reale Problematik verbarg, derer der bloße Rekurs auf die Orthodoxie des geschriebenen Wortes nicht Herr zu werden vermochte:
"Die 'orthodoxe' Vierte International ging davon aus, dass der Krieg notwendig in die proletarische Revolution einmünden würde - getragen von einer Arbeiterbewegung unter der Führung der Vierten Internationale. Nun ist der Krieg vorbei, und es gibt keine proletarische Klassenbewegung - im Sinne einer von der Bourgeoisie unabhängigen Bewegung, wobei wir die Sozialdemokratie und den Stalinismus nicht zählen, welche beide für die Rechnung der Bourgeoisie arbeiten -, es gibt keine Revolution und es gibt keine Führung durch die Vierte Internationale. Dies ist in Kürze das dreifache Defizit in der Bilanz der 'Orthodoxen'." ("Two Balance Sheets", Beitrag von einigen Genossen der IKD, in W.I.N., Sept.-Oct. 1946)
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Im Dilemma - zwischen Dogma und Revision
Wir haben bereits bereits gesehen, welcj zentraler Platz dem bevorstehenden Welt in der Orientierung deer neugegründeten Internationale zugekommen war; aber nicht bloß dem Weltkrieg selbst und den Möglichkeiten der revolutionären Agitation, die die Ernüchterung der Massen unvermeidlich mit sich bringen musste, sondern vor allen Dingen der weltpolitischen Resultate, auf welche die trotzkistische Bewegungn ihre Perspektive gegründet hatte. Denn Trotzkis Prognose für den Ausgang des Krieges nahm nicht allein einen international verallgemeinerten Aufschwung der revolutionären Massenkämpfe im Gefolge der vollständigen Zerrüttung des internationalen imperialistischen Systems, sondern auch insbesondere den Zusmmenbruch des stalinistischen Systems als Ergebnis entweder der militärischen Niederlage der Sowjetunion oder der Wiedereroberung der politischen Macht durch eine vom Weltkrieg aufgerüttelte russische Arbeiterklasse an.
Trotzki war bei seiner Analyse der Sowjetbürokratie als besonderer gesellschaftlich privilegierter Schicht immer von deren Zwitternatur ausgegangen; sie stellt einerseits eine bösartige Geschwulst am Körper der siegreichen Arbeiterklasse dar, die das Überleben des ganzen Organismus in Frage stellt, und andererseits ist sie zugleich Ausdruck des noch ungebrochenen imperialistischen Übergewichts in der Weltarena - sie ist das Organ, durch welches das kapitalistische Weltsystem seinen Interessen im Innern des isolierten Arbeiterstaats Geltung verschafft. Die Bürokratie ist eben keine wesentlich neue gesellschaftliche Formation mit einer eigenen historischen Idenität, mit selbstständigen objektiven gesellschaftlichen Interesssen, sondern ein Parasit, der sich in den Lücken des noch nicht voll ausgetragenen Widerspruchs zwichen den Interessen des kapitalistischen Weltsystems und denen der internationalen Arbeiterklasse eingenistet hat. Sein Lebenselixir ist die weltgeschichtliche Stagnation, denn logischerweise macht die gründliche Lösung des Widerspruchs nach der einen oder anderen Richtung hin seinem Schmarotzerdasein ein promptes Ende. Deswegen bildet er einerseits in der Weltpolitik ein äußerst konservatives Element, das unter der Parole "Sozialismus ein einme Land" und "freidliche Koexistenz" vor allen Dingen des status quo zu sicher bedacht ist.
Trägt die Bürokratie also Zwei Seelen in ihrer Brust - einerseits der faule, treulose und diebische Kommis der Arbeiterklasse, andererseits Statthalter der Prinzipien der Alten Gesellschaft inerhalb des Arbeiterstaats -, so trägt sie ihre Zeideutigkeiten in die sowjetische Gesellschaft hinein, wo sie derart die ohnehin vorhandenen Widersprüche künstlich verschärft. Wenn sich nun das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen im internationalen Rahmen spürbar zugunsten der einen oder anderen verschiebt, so verstärkt sich der Druck dieser Klasse auf die Sowjetbürokratiie und lässt die mühselig durch den Terror der GPU zusammengehaltenen widerstreitenden Kräfte in ihrem Innern offen ausbrechen - die Bürokratie spaltet sich in zwei Teile, der eine läuft offen ins Lager des Imperialismus über ("Fraktion Butenko"). der andere - vermutlich kleinere - kehrt auf die Seite der Arbeiterklasse zurück ("Fraktion Reiss").
Genau dies war die Erwartung, die Trotzki - und mit ihm die junge Internationale - in den Ausgang des Krieges mit der Sowjetunion setzte (siehe In Defence Of Marxism, insbesondere "Die UdSSR im Kriege", sowie 'Übergangsprogramm'.) Der imperialistische Einfall in die Sowjetunion würde alle Widersprüche auf die Spitze
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Die Erblast
Nicht ihre unablässigen Spaltungen haben die trotzkistische Bewegung daran gehindert, sich zur internationalen Avantgarde-Organisation der der Arbeiterklasse zu entwickeln, sondern ihre Unfähigkeit, sich als Avantgarde in den wirklichen Klassenkämpfen zu verankern, ist umgekehrt die Ursache der organisatorischen und ebenso der programmatischen Zersetzung.
Gewiss, die Vierte Internationale ist zwar aus der Internationalen Linken Opposition und insofern direkt aus der kommunistischen Arbeiterbewegung hervorgegangen - jedoch unter solchen historischen Umständen, die sie in ihren ersten Jahren zwangen, sich außerhalb der proletarischen Massenkämpfe anzusiedeln. Anders als die Dritte, konnte die Vierte Internationale ihren Kampf um die Führung des proletarischen Klassenkampfs nicht als die organisatorische Verbindung des tatsächlichen Vortrupps der kämpfenden Arbeiterklasse, sondern nur als eine Gesellschaft von isolierten Propagandisten des 'richtigen Programms' antreten. Die wichtigsten Sektionen der Kommunistischen Internationale repräsentierten schon zum Zeitpunkt ihrer Entstehung die reale Vorhut der Arbeiterklasse ihres Landes, der zum Sieg einzig und allein Eines fehlte: die erforderliche Klarheit von Programm, Strategie und Taktik. Die Vierte Internationale begann dagegen mit einem so konkreten und scharfsichtigen Programm, wie es die Arbeiterbewegung bis dahin noch nicht hervorgebracht hatte. Ihr erste und elementare Aufgaben bestand darin, dieses Programm 'von außen' in die von Andern geführten Kämpfe der Arbeiterklasse hineinzutragen und sich so allererst zur kämpfenden Vorhut ihre Klasse zu entwickeln.
Die neue Internationale ist aus dem Kampf der Linken Opposition der Kommunistischen Internationale hervorgegangen. Bis zur kampflosen Kapitulation der Komintern-Führung vor dem deutschen Faschismus betrachteten sich die Bolschewiki-Leninisten als eine Fraktion einer bestehenden internationalen Verbindung, die sie ohne weiteres als die legitimierte Führung des Weltproletariats anerkannten. Sie sahen ihre Aufgabe keineswegs im Aufbau einer alternativen Führung, sondern ausschließlich darin, die anerkannte Führung zu einer korrekteren politischen Linie zu zwingen. Ihre Rolle in der Internationale ist im wesentlichen eine kritische, und ihre Kritik ist nach der Natur der Dinge im wesentlichen eine literarische: Sie könnten ihre Kritik nur um den Preis der Einheit eben jener Internationale ins Praktische wenden, deren Anspruch auf zentralistische Disziplin, auf Einheit in der Aktion sie ja noch immer grundsätzlich bejahen.
Dieser nahezu zehn Jahre lang anhaltenden Zustand muss unweigerlich zu einer gewissen propagandistischen Verzerrung in der Arbeits- und schließlich in der Denkweise der Bolschewiki-Leninisten führen - eine Gefahr, der auf die Dauer jede disziplinierte Minderheit einer demokratisch-zentralistischen Organisation erliegen muss (und umso mehr in einer bürokratisch-zentralistischen). Mit der rein literarischen Propaganda, mit der bloße theoretischen Kritik, so scharfsinnig sie war, konnte sich die Opposition natürlich keinen Masseneinfluss schaffen. Dies war freilich einstweilen auch gar nicht ihr Ziel: Sie wandte sich an die Kader der Kommunistischen Parteien, an die 'Avantgarde der Avantgarde', in der Hoffnung, durch ideelle Beeinflussung diese bewusstesten Teils der Arbeiterklasse die Komintern auf einen andern Kurs zwingen zu können.
Die Katastrophe von 1933 erwies diese Hoffnung endgültig als Illusion. Die Komintern war ein politische Leichnam, es gab nichts mehr zu reformieren. Die Bolschewiki-Leninisten mussten daran gehen, eine neue Internationale, eine wahrhaftige kommunistische Weltpartei aufzubauen.
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In
den Augen eines Revolutionärs, der eine wenig mit der Geschichte der
Arbeiterbewegung vertraut ist, kann jedoch der bloße Tatbestand er
Zersplitterung selbst nicht
schon Maßstab für Existenz oder Nicht-Existenz de Vierten
Internationale, und schon gar nicht für die Richtigkeit ihres Programms
sein., denn noch immer hat sich eine Partei, wie Hegel sagt, dadurch als
die siegende bewährt, dass sie sich spaltet und die Spaltung
verkraftet. Hätte also die ununterbrochene Kette von Abspaltungen ei
aller Schwächung der freilich nicht allzu zahlreichen Kaderkräfte immerhin zur Kristallisierung einer homogenen Weltorganisation auf solider programmatischer Grundlage geführt, die fest in der proletarischen Avantgarde wenigstens einiger weltpolitisch ausschlaggebenden Länder verwurzelt ist, so hätte diese auch dann noch Anspruch auf das Etikett Vierte Internationale, wenn sie in ihren Reihen nur eine kleine Minderheit all derer vereinigen würde, die sich auf ihr Programm berufen.
Nicht ihre unablässigen Spaltungen haben die trotzkistische Bewegung daran gehindert, sich zur internationalen Avantgarde-Organisation der der Arbeiterklasse zu entwickeln, sondern ihre Unfähigkeit, sich als Avantgarde in den wirklichen Klassenkämpfen zu verankern, ist umgekehrt die Ursache der organisatorischen und ebenso der programmatischen Zersetzung.
Gewiss, die Vierte Internationale ist zwar aus der Internationalen Linken Opposition und insofern direkt aus der kommunistischen Arbeiterbewegung hervorgegangen - jedoch unter solchen historischen Umständen, die sie in ihren ersten Jahren zwangen, sich außerhalb der proletarischen Massenkämpfe anzusiedeln. Anders als die Dritte, konnte die Vierte Internationale ihren Kampf um die Führung des proletarischen Klassenkampfs nicht als die organisatorische Verbindung des tatsächlichen Vortrupps der kämpfenden Arbeiterklasse, sondern nur als eine Gesellschaft von isolierten Propagandisten des 'richtigen Programms' antreten. Die wichtigsten Sektionen der Kommunistischen Internationale repräsentierten schon zum Zeitpunkt ihrer Entstehung die reale Vorhut der Arbeiterklasse ihres Landes, der zum Sieg einzig und allein Eines fehlte: die erforderliche Klarheit von Programm, Strategie und Taktik. Die Vierte Internationale begann dagegen mit einem so konkreten und scharfsichtigen Programm, wie es die Arbeiterbewegung bis dahin noch nicht hervorgebracht hatte. Ihr erste und elementare Aufgaben bestand darin, dieses Programm 'von außen' in die von Andern geführten Kämpfe der Arbeiterklasse hineinzutragen und sich so allererst zur kämpfenden Vorhut ihre Klasse zu entwickeln.
Die neue Internationale ist aus dem Kampf der Linken Opposition der Kommunistischen Internationale hervorgegangen. Bis zur kampflosen Kapitulation der Komintern-Führung vor dem deutschen Faschismus betrachteten sich die Bolschewiki-Leninisten als eine Fraktion einer bestehenden internationalen Verbindung, die sie ohne weiteres als die legitimierte Führung des Weltproletariats anerkannten. Sie sahen ihre Aufgabe keineswegs im Aufbau einer alternativen Führung, sondern ausschließlich darin, die anerkannte Führung zu einer korrekteren politischen Linie zu zwingen. Ihre Rolle in der Internationale ist im wesentlichen eine kritische, und ihre Kritik ist nach der Natur der Dinge im wesentlichen eine literarische: Sie könnten ihre Kritik nur um den Preis der Einheit eben jener Internationale ins Praktische wenden, deren Anspruch auf zentralistische Disziplin, auf Einheit in der Aktion sie ja noch immer grundsätzlich bejahen.
Dieser nahezu zehn Jahre lang anhaltenden Zustand muss unweigerlich zu einer gewissen propagandistischen Verzerrung in der Arbeits- und schließlich in der Denkweise der Bolschewiki-Leninisten führen - eine Gefahr, der auf die Dauer jede disziplinierte Minderheit einer demokratisch-zentralistischen Organisation erliegen muss (und umso mehr in einer bürokratisch-zentralistischen). Mit der rein literarischen Propaganda, mit der bloße theoretischen Kritik, so scharfsinnig sie war, konnte sich die Opposition natürlich keinen Masseneinfluss schaffen. Dies war freilich einstweilen auch gar nicht ihr Ziel: Sie wandte sich an die Kader der Kommunistischen Parteien, an die 'Avantgarde der Avantgarde', in der Hoffnung, durch ideelle Beeinflussung diese bewusstesten Teils der Arbeiterklasse die Komintern auf einen andern Kurs zwingen zu können.
Die Katastrophe von 1933 erwies diese Hoffnung endgültig als Illusion. Die Komintern war ein politische Leichnam, es gab nichts mehr zu reformieren. Die Bolschewiki-Leninisten mussten daran gehen, eine neue Internationale, eine wahrhaftige kommunistische Weltpartei aufzubauen.
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Indem die Bolschewiki-Leninisten allerdings die Brücke zur Komintern hinter sich verbrannten, gingen sie zugleich auch der letzten, ohnehin nicht allzu soliden Brücke verlustig, die sie bis dahin mit der proletarischen Massenbewegung, mit den wirklichen Klassenkämpfen verbunden hatte. Und in dieser Situation mussten die in der Vergangenheit erworbenen propagandistischen Deformationen sich zu einem verdoppelten und verdreifachten Hindernis auf dem Weg zur proletarischen Avantgarde auswachsen.
"Unsere Lage ist heut unvergleichlich schwieriger als die irgendeiner anderen Organisation zu irgendeinem anderen Zeitpunkt, denn hinter uns liegt der grauenhafte Verrat der Kommunistischen Internationale, die ihrerseits aus dem Verrat der zweiten Internationale hervorgegangen ist. Die Degeneration der Dritten Internationale hat sich so rasch und so unerwartet entwickelt, dass dieselbe Generation, die ihrer Gründung beigewohnt hatte, jetzt uns hört und sagt: 'Aber das haben wir doch alles schon einmal gehört...!'
Dazu kommt die Niederlage der Linken Opposition in Russland. Die Vierte Internationale ist mit der Linken Opposition genetisch verbunden; deshalb nennen die Massen uns Trotzkisten. 'Trotzki will die Macht erobern, aber weshalb hat er die Macht denn verloren?' Das ist eine ganz elementare Frage. Wir müssen damit anfangen, dies aus der Dialektik der Geschichte zu erklären, aus dem Konflikt zwischen den Klassen, daraus, dass eine Revolution eben auch eine Reaktion hervorruft. ... Nichts auf der Welt ist so überzeugend wie der Erfolg, und nichts ist für die breiten Massen so abstoßend wie eine Niederlage.
Aber die Massen werden nicht durch theoretische Prognosen erzogen, sondern von er allgemeinen Erfahrung ihres Lebens. ... Ich erinnere mich an ein paar Diskussionen, die wir 1927 in Moskau führten, als Stalin uns entgegenhielt, dass Borodin wachsam sei und dass also Tschiang Kai-schek gar keine Gelegenheit haben würde, uns zu verraten, und so weiter. Ich glaube, die Tragödie hat nur acht oder zehn Tage später stattgefunden und unsere Genossen waren optimistisch, weil unsere Analyse so klar gewesen war, dass es nun jedermann einsehen müsse, und dass wir ganz sicher die Partei auf unsere Seite ziehen würden. Ich habe ihnen geantwortet, dass die Erdrosselung der chinesischen Revolution für die Massen tausendmal bedeutsamer ist als unsere Vorhersagen. Unsere Vorhersagen können vielleicht einige wenige Intellektuelle für uns gewinnen, die ein spezielles Interesse an solchen Dingen haben, aber nicht die Massen." (L. D. Trotzki, Interview mit C. L. R. James, April 1939)
So kann es nicht ausbleiben, dass sich die propagandistischen Verzerrungen zu intellektualistischen und kleinbürgerlichen Verhaltens- und Denkweisen auswachsen und sich schließlich immer stärker auch in der sozialen Zusammensetzung der neuen Organisation niederschlagen. Bereits zu Zeiten der fraktionellen Tätigkeit in der Komintern wies die Opposition nach Lage der Dinge einen für eine Arbeiterpartei überdurchschnittlich hohen Anteil von kleinbürgerlichen Intellektuellen und Halb-Intellektuellen auf. Nun, nach dem Zerreißen der Nabelschnur, die die Bolschewisten-Leninisten mit der Arbeiterbewegung verbunden hatte, wird die Gewinnung proletarischer Kaderelemente schwieriger als je zuvor.
Sicher:
"Jede Arbeiterpartei, jede Fraktion durchläuft in ihrem Anfangsstadium eine Periode der reinen Propaganda - das heißt der Einübung ihrer Kader. Diese Zeit der Existenz als ein bloßer marxistischer Zirkel bringt unvermeidlich die Gewohnheit hervor, an die Probleme der Arbeiterbewegung auf eine sehr abstrakte Weise heranzugehen. Wer nicht imstande ist, beizeiten den Schritt über diese beengte Existenz hinaus zu tun, verwandelt sich in einen konservativen Sektierer." (L. D. Trotzki, Zentrismus, Sektierertum und die Vierte Internationale, 22, 10. 1935)
Die Bolschewisten-Leninisten treffen bei ihrem Ausscheiden aus der Komintern jedoch eine historische Konjunktur an, die es ihnen besonders schwer macht, diesen entscheidenden Schritt zu tun: Die neue Bewegung ist in besonderem Maße von der Erstarrung zur konservativen Sekte bedroht,
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8 (S. 7 fehlt)
"denn wir schwimmen gegen den Strom", sagt Trotzki zu C. L. R. James (a.a.O.). "Das ist die allgemeinste Erklärung - die ganze Situation ist gegen uns", und dies nicht erst seit 1939. Der ganze Zeitraum zwischen Hitlers Sieg und dem zweiten Weltkrieg ist geprägt davon. Und "selbst als wir kürzlich einen Aufschwung in Frankreich hatten, hing das mit der Volksfront zusammen. In dieser Situation war die Niederlage der Volksfront wieder einmal der Beweis für die Richtigkeit unserer Konzeption, wie damals die Zerschlagung der chinesischen Arbeiter. Aber die Niederlage ist eine Niederlage, und sie wirkt den revolutionären Tendenzen entgegen, solange, bis zu einem neuen Zeitpunkt ein neuer Aufschwung auf höherer Ebene einsetzt." (a.a.O.)
Die übelsten Auswirkungen hatten all diese Faktoren auf die französische Sektion, die doch einen strategischen Platz bei der Konzipierung der neuen Internationale eingenommen hatte. Die Bolschewisten-Leninisten rechneten seit 1934 mit einer revolutionären Krise in Frankreich, und deshalb wurde die französische Sektion während der dreißiger Jahre zum politisch-organisatorischen Zentrum der Bewegung. Aber schon während der vorrevolutionären Ereignisse von 1936 erweist die französische Organisation ihre Inkompetenz. Sie war seit Jahren von fraktionellen Auseinandersetzungen, Spannungen und Spaltungen heimgesucht worden, bei denen auch Zeitgenossen Mühe hatten, politische Differenzen von persönlichen Eitelkeiten und Cliquen-Rivalitäten zu scheiden. Die Streikwelle vom Mai 1936 findet den französischen Trotzkismus wieder einmal gespalten vor, nachdem derselbe Pierre Frank, der zunächst um keinen Preis in die SFIO hatte eintreten und später um keinen Preis hatte austreten wollen, eine eigene "Partei" gegründet hatte. Angesichts der heraufkommenden revolutionären Krise wurde die beiden wichtigsten trotzkistischen Gruppen hastig unter dem Namen P.O.I. vereinigt.
"Aber Vereinigung bedeutet noch keineswegs, dass die Organisation von ihrem Leiden kuriert sei.Die Spaltuung war kein Zufall. Die Spalter [gemeint ist die Gruppe Frank-Molinier] haben Schiffbruch erlitten. Aber nichts deutet darauf hin, dass sie alle viel aus diesem Schiffbruch gelernt haben. Keiner,der die Hauptverantwortlichen kennt, wird sich irgendwelchen Illusionen über die Zukunft hingeben. Die Entwicklung in Frankreich wird in der vor uns liegenden Periode äußerst krisenhaft sein., und jede Wendung kann innerhalb der Führungsschicht der französischen Sektion opportunistische oder abenteuerliche Reaktionen hervorrufen.Wenn ich dies so brutal ausspreche, so deshalb, weil mir die Erfahrungen der letzten sieben Jahre nicht gestatten, in dieser Hinsicht einen übertriebenen Optimismus zu nähren", schrieb Trotzki im Vorwort zu einer umfangreiche Polemik seines Sekretärs E. Wolff über die Zustände in der französischen Sektion- und richtig: nur zwei Monate darauf bricht der Fraktionskampf in altgewohnter Bitterkeit wieder auf.
In demselben Text fährt Trotzki fort:
"Die politische Etappe, die in diesem Augenblick in Frankreich zu Ende geht, haben wir als vorrevolutionär bezeichnet. In dieser Situation wäre ew für die französische Sektion darauf angekommen, den nötigen Schwung zu finden. Die Lage war schwierig, aber durchaus nicht ungünstig. Wenn die französische Sektion nach [ihrem Ausschluss aus der SFIO] die kraftvolle revolutionäre und internationalistische Offensive entfaltet hätte, die ihr durch sämtlich Umstände diktiert wurde, so hätte sie heute eine sehr viel größere Zahl von Mitgliedern und verfügte über eine unvergleichlich größere Autorität und Kampfkraft. Nun haben wir also in unserer eigenen Geschichte ein bedeutendes Beispiel für eine versäumte Gelegenheit - oder richtiger: für eine verpfuschte Gelegenheit; denn ... die Führung hat alles unternommen, um die Situation so wenig wie möglich auszunutzen." (L. D. Trotzki, Nach der Krise der Bolschewiki-Leninisten, 7. 6. 1936)
Und Erwin Wolff selbst (Pseud. Nicolle Braun) schreibt:
"Da doch keine der drei Fraktionen der bolschweistisch-leninistischen Gruppe tatsächlich unser Programm in seiner Gesamtheit verteidigt hat, musste ihr Widerstreit den Jungen als ein reines Cliquen-Gerangel erscheinen." (N. Braun, "Das Massenorgan", 1936)
In dem entscheidenden Augenblick, wo die französischen Bolschewiki-Leninisten erstmals vor der realen Möglichkeit standen, von der 'defensiven' der reinen Propaganda erstmals zur revolutionären Initiative überzugehen,wo sie erstmals die Chance gehabt hätten, das kommunistische Programm mit dem wirklichen, kämpfen-
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den Vortrupp der Arbeiterklasse zu verschmelzen und damit den entscheidenden Schritt auf dem Weg zur revolutionären Avantgarde-Partei zu machen - in diesem außerordentlichen historischen Augenblick sind wir wieder einmal durch kleinliche, prinzipienlose - 'keine Fraktion hat das Programm in seiner Gesamtheit verteidigt' - und persönlichen Intrigen paralysiert und zur Unfähigkeit verurteilt.
Wie hatte es ausgerechnet in dem imperialistischen Land, in dem sich nach der Vernichtung der deutschen Arbeiterbewegung das Schicksal der proletarischen Revolution entscheiden musste - auch nach der Proklamation der Vierten Internationale, im Dezember 1938, rechnet Trotzki angesichts des heraufziehenden Krieges noch immer auf das unmittelbare Bevorstehen einer akuten revolutionären Krise unter der Alternative Faschismus oder Diktatur des Proletariats (s. Die Stunde der Entscheidung rückt näher, 18. 12. 1938) - wie hatte es in diesem für die internationale Strategie so wichtigen imperialistischen Bollwerk zu einer so vollständigen Impotenz der bolschewistisch-leninistischen Organisation kommen können?
Nun, es war vor allem die soziale Zusammensetzung der französischen Sektion, von der Trotzki im Gegensatz zu einigen seiner Epigonen durchaus meinte, dass sie ein Argument gegen die Organisation sei.
"Es sind mutige Leute darunter, die nicht gern mit dem Strom schwimmen - das liegt in ihrem Charakter. Aber es gibt auch intelligente Leute von schlechtem Charakter, die niemals diszipliniert gewesen sind, die stets auf der Suche nach einer noch radikaleren, noch unabhängigeren Tendenz waren, und dabei auf uns gestoßen sind, aber sie alle sind mehr oder weniger Outsider gegenüber dem allgemeinen Strom der Arbeiterbewegung. Der Beitrag, den sie leisten, hat unvermeidlich eine schlechte Seite. Wer gegen den Strom schwimmt, kann keine Verbindung zu den Massen haben. ... Eine neue, radikale Tendenz, die sich gegen den allgemeinen Strom der Geschichte stellt, kristallisiert sich in unserer Periode um solche Elemente, die mehr oder weniger vom nationalen Leben ihres Landes isoliert sind und denen es sehr schwer fällt, in die Massen vorzudringen. Wir alle stehen der sozialen Zusammensetzung unserer Organisation sehr kritisch gegenüber und wir müssen sie verändern, aber wir müssen auch verstehen, dass diese soziale Zusammensetzung nicht vom Himmel gefallen ist, sondern von der objektiven Situation und unserer geschichtlichen Mission in dieser Zeit bestimmt war. Das heißt aber nicht, dass wir uns mit diesem Zustand abfinden sollten. Sofern es Frankreich betrifft, handelt es sich dabei um eine lange Tradition der französischen Bewegung, die mit der sozialen Struktur des Landes zu tun hat. Und vor allem in der Vergangenheit diese kleinbürgerliche Mentalität - auf der einen Seite der Individualismus, auf der anderen ein enormer Elan, die Fähigkeit zu improvisieren." (Interview mit C. L. R. James)
Es war nur leider nicht die richtige Zeit für Improvisationen, wie Trotzki selbst feststellte. Darum war bereits 1935 ein großangelegter Versuch unternommen worden, nicht nur eine größere Gruppe von Arbeiterkadern für die französische Gruppe zu gewinnen, sondern darüber hinaus die die ganze Gruppe mittels einer Radikalkur in unmittelbaren Kontakt zur Arbeiterklasse und zu den Massenkämpfen zu zwingen - denn dies war vor allem der Zweck des Eintritts in die SFIO.
"Mit dem Eintritt in die Sozialistische Partei begann in Frankreich eine Regeneration. Zwar war die Politik nicht ganz klar, aber sie gewann viele neue Mitglieder. Diese neuen Mitglieder waren eine weite Umgebung gewöhnt. Nach des Spaltung [von der SFIO] verloren sie ein wenig Mut. Sie waren nicht so gestählt. Dann verloren sie ihr nicht so gestähltes Interesse und wurden in den Sog der Volksfront gezogen. Das ist bedauerlich, aber auch erklärlich." (Interview mit C. L. R. James)
Nach dieser taktischen Operation zählte die Gruppe etwa fünfmal so viel Mitglieder wie vor ihrem Eintritt, nämlich knapp dreihundert. Aber die neuen Rekruten waren zum größten Teil junge, im Klassenkampf noch wenig erfahrene Arbeiter aus der sozialistischen Jugendbewegung, die als einziges ideologisches Gepäck die Erfahrungen ihres Fraktionskampfes mit der Sozialdemokratie mitbrachten. Sie waren ebensowenig mit den bolschewistischen Methoden des Parteiaufbaus und mit den Normen des demokratischen Zentralismus vertraut wie die alten Führer, die schon oft versagt hatten, und während des großen Streiks wurde hinreichend klar, dass der Einfluss dieser unerfahrenen jungen proletarischen Elemente bei weitem nicht hinreichte, um die kleinbürgerlich-individualistische Mentalität und die entsprechenden praktischen Gepflogenheiten in der Organisation zu liquidieren.
Wie hatte es ausgerechnet in dem imperialistischen Land, in dem sich nach der Vernichtung der deutschen Arbeiterbewegung das Schicksal der proletarischen Revolution entscheiden musste - auch nach der Proklamation der Vierten Internationale, im Dezember 1938, rechnet Trotzki angesichts des heraufziehenden Krieges noch immer auf das unmittelbare Bevorstehen einer akuten revolutionären Krise unter der Alternative Faschismus oder Diktatur des Proletariats (s. Die Stunde der Entscheidung rückt näher, 18. 12. 1938) - wie hatte es in diesem für die internationale Strategie so wichtigen imperialistischen Bollwerk zu einer so vollständigen Impotenz der bolschewistisch-leninistischen Organisation kommen können?
Nun, es war vor allem die soziale Zusammensetzung der französischen Sektion, von der Trotzki im Gegensatz zu einigen seiner Epigonen durchaus meinte, dass sie ein Argument gegen die Organisation sei.
"Es sind mutige Leute darunter, die nicht gern mit dem Strom schwimmen - das liegt in ihrem Charakter. Aber es gibt auch intelligente Leute von schlechtem Charakter, die niemals diszipliniert gewesen sind, die stets auf der Suche nach einer noch radikaleren, noch unabhängigeren Tendenz waren, und dabei auf uns gestoßen sind, aber sie alle sind mehr oder weniger Outsider gegenüber dem allgemeinen Strom der Arbeiterbewegung. Der Beitrag, den sie leisten, hat unvermeidlich eine schlechte Seite. Wer gegen den Strom schwimmt, kann keine Verbindung zu den Massen haben. ... Eine neue, radikale Tendenz, die sich gegen den allgemeinen Strom der Geschichte stellt, kristallisiert sich in unserer Periode um solche Elemente, die mehr oder weniger vom nationalen Leben ihres Landes isoliert sind und denen es sehr schwer fällt, in die Massen vorzudringen. Wir alle stehen der sozialen Zusammensetzung unserer Organisation sehr kritisch gegenüber und wir müssen sie verändern, aber wir müssen auch verstehen, dass diese soziale Zusammensetzung nicht vom Himmel gefallen ist, sondern von der objektiven Situation und unserer geschichtlichen Mission in dieser Zeit bestimmt war. Das heißt aber nicht, dass wir uns mit diesem Zustand abfinden sollten. Sofern es Frankreich betrifft, handelt es sich dabei um eine lange Tradition der französischen Bewegung, die mit der sozialen Struktur des Landes zu tun hat. Und vor allem in der Vergangenheit diese kleinbürgerliche Mentalität - auf der einen Seite der Individualismus, auf der anderen ein enormer Elan, die Fähigkeit zu improvisieren." (Interview mit C. L. R. James)
Es war nur leider nicht die richtige Zeit für Improvisationen, wie Trotzki selbst feststellte. Darum war bereits 1935 ein großangelegter Versuch unternommen worden, nicht nur eine größere Gruppe von Arbeiterkadern für die französische Gruppe zu gewinnen, sondern darüber hinaus die die ganze Gruppe mittels einer Radikalkur in unmittelbaren Kontakt zur Arbeiterklasse und zu den Massenkämpfen zu zwingen - denn dies war vor allem der Zweck des Eintritts in die SFIO.
"Mit dem Eintritt in die Sozialistische Partei begann in Frankreich eine Regeneration. Zwar war die Politik nicht ganz klar, aber sie gewann viele neue Mitglieder. Diese neuen Mitglieder waren eine weite Umgebung gewöhnt. Nach des Spaltung [von der SFIO] verloren sie ein wenig Mut. Sie waren nicht so gestählt. Dann verloren sie ihr nicht so gestähltes Interesse und wurden in den Sog der Volksfront gezogen. Das ist bedauerlich, aber auch erklärlich." (Interview mit C. L. R. James)
Nach dieser taktischen Operation zählte die Gruppe etwa fünfmal so viel Mitglieder wie vor ihrem Eintritt, nämlich knapp dreihundert. Aber die neuen Rekruten waren zum größten Teil junge, im Klassenkampf noch wenig erfahrene Arbeiter aus der sozialistischen Jugendbewegung, die als einziges ideologisches Gepäck die Erfahrungen ihres Fraktionskampfes mit der Sozialdemokratie mitbrachten. Sie waren ebensowenig mit den bolschewistischen Methoden des Parteiaufbaus und mit den Normen des demokratischen Zentralismus vertraut wie die alten Führer, die schon oft versagt hatten, und während des großen Streiks wurde hinreichend klar, dass der Einfluss dieser unerfahrenen jungen proletarischen Elemente bei weitem nicht hinreichte, um die kleinbürgerlich-individualistische Mentalität und die entsprechenden praktischen Gepflogenheiten in der Organisation zu liquidieren.
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Auch nach der formellen Proklamation der Vierten Internationale stellte sich das Problem der Klassenzusammensetzung der bolschewistisch-leninistischen Organisation also genau so dringlich, als für die Zukunft der neuen Internationale ebenso lebenswichtig, wie beim Bruch der Bolschewisten-Leninisten mit der Komintern, und Trotzki, dem eine Organisation von tausend Studenten und fünfzig Arbeitern keineswegs lieber war als eine von zweihundert Arbeitern und zehn Studenten - so Mandel am 15. 12. 1970 in Berlin! -, erkannte das auch in aller wünschenswerten Schärfe. In seinem letzten großen Kampf, der Auseinandersetzung mit der Shachtman-Burnham-Tendenz in der SWP, sah er deshalb vor allen Dingen einen Kampf um den proletarischen Charakter der Partei und der Internationale.
"Unsere Partei kann von nichtproletarischen Elementen überschwemmt werden und dadurch sogar ihren revolutionären Charakter verlieren. Es geht selbstverständlich nicht darum, den Zulauf von Intellektuellen mit künstlichen Maßnahmen zu verhindern..., sondern die gesamte Organisatione in der Praxis auf die Fabriken hin zu orientieren, auf die mStreiks, auf die Gewerkschaften..."
"Unsere Partei kann von nichtproletarischen Elementen überschwemmt werden und dadurch sogar ihren revolutionären Charakter verlieren. Es geht selbstverständlich nicht darum, den Zulauf von Intellektuellen mit künstlichen Maßnahmen zu verhindern..., sondern die gesamte Organisatione in der Praxis auf die Fabriken hin zu orientieren, auf die mStreiks, auf die Gewerkschaften..."
(Brief an J. Cannon, 10. 10, 1937, wörtlich übernommen in: Von einer Schramme zur Gefahr des Wundbrands, 24. 1. 1940, in: In Defence of Marxism.)
Und:
"Die Zersetzung des Kapitalismus führt zu verschärfter Unzufriedenheit unter der Kleinbourgeoisie und drängt deren unterste Schichten nach links; das eröffnet uns beträchtliche Möglichkeiten, bringt aber auch enorme Gefahren mit sich. Die Vierte Internationale kann nur solche Überläufer aus dem Kleinbürgertum gebrauchen, die mit ihrer gesellschaftlichen Vergangenheit gründlich gebrochen und sich entschieden auf den Standpunkt der Arbeiterklasse gestellt haben.
Diese politische und theoretische Übertritt muss begleitet t sein von einem klaren Bruch mit der bürgerlichen Umgebung und der Entwicklung von engen Beziehungen zu den Arbeitern vor allem durch die Rekrutierung und Erziehung von Proletariern für die Partei. Überläufer aus dem Kleinbürgertum, die sich unfähig gezeigt haben, sich im proletarischen Milieu einzuleben, müssen nach einer bestimmten Zeit vom Status eines Parteimitglieds in den eines Sympathisanten zurückgestuft werden.
Im Klassenkampf noch nicht erprobte Parteimitglieder dürfen nicht an verantwortliche Stelle gesetzt werden. Ganz gleich, wie talentiert dieser oder jener Überläufer aus bürgerlichem Milieu sein mag und wie sehr dem Sozialismus ergeben - bevor er eine Lehrmeister wird, muss er bei der Arbeiterklasse in die Schule gehen. Junge Intellektuelle sollten nicht an die Spitze der intellektuellen Jugend gestellt, sondern erst einmal für ein paar Jahre in die Provinz geschickt werden, in rein proletarische Zentren, um dort harte praktische Arbeit zu leisten.
Dem Klassenprogramm der Partei muss ihre Klassenzusammensetzung entsprechen. Die amerikanische Sektion der Vierten Internationale wird proletarisch werden oder aufhören zu bestehen."
Und:
"Die Zersetzung des Kapitalismus führt zu verschärfter Unzufriedenheit unter der Kleinbourgeoisie und drängt deren unterste Schichten nach links; das eröffnet uns beträchtliche Möglichkeiten, bringt aber auch enorme Gefahren mit sich. Die Vierte Internationale kann nur solche Überläufer aus dem Kleinbürgertum gebrauchen, die mit ihrer gesellschaftlichen Vergangenheit gründlich gebrochen und sich entschieden auf den Standpunkt der Arbeiterklasse gestellt haben.
Diese politische und theoretische Übertritt muss begleitet t sein von einem klaren Bruch mit der bürgerlichen Umgebung und der Entwicklung von engen Beziehungen zu den Arbeitern vor allem durch die Rekrutierung und Erziehung von Proletariern für die Partei. Überläufer aus dem Kleinbürgertum, die sich unfähig gezeigt haben, sich im proletarischen Milieu einzuleben, müssen nach einer bestimmten Zeit vom Status eines Parteimitglieds in den eines Sympathisanten zurückgestuft werden.
Im Klassenkampf noch nicht erprobte Parteimitglieder dürfen nicht an verantwortliche Stelle gesetzt werden. Ganz gleich, wie talentiert dieser oder jener Überläufer aus bürgerlichem Milieu sein mag und wie sehr dem Sozialismus ergeben - bevor er eine Lehrmeister wird, muss er bei der Arbeiterklasse in die Schule gehen. Junge Intellektuelle sollten nicht an die Spitze der intellektuellen Jugend gestellt, sondern erst einmal für ein paar Jahre in die Provinz geschickt werden, in rein proletarische Zentren, um dort harte praktische Arbeit zu leisten.
Dem Klassenprogramm der Partei muss ihre Klassenzusammensetzung entsprechen. Die amerikanische Sektion der Vierten Internationale wird proletarisch werden oder aufhören zu bestehen."
("Offener Brief an J. Burnham", 7. 1. 1940, in: In Defence of Marxism.)
In der Perspektive des Weltkriegs.
Woher konnte Trotzki bei einer so illusionslosen und nüchternen Einsicht in die völlige Unzulänglichkeit der Klassenzusammensetzung selbst der amerikanischen Sektion, die von allen doch noch die solidesten Wurzeln in der Arbeiterbewegung ihres Landes hatte, die Zuversicht nehmen, dass diese schwache und zerbrechliche Internationale erfolgreich den Kampf um die Führung des Weltproletariats würde aufnehmen können? Woher der Mut, unter diesen etwas desolaten Umständen dennoch die Vierte Internationale als bestehende "Weltpartei der sozialistischen Revolution" zu proklamieren? Gaben
diese Tatsachen nicht den berufsmäßigen Skeptikern Recht, die wie stets die Zeit noch nicht für reif hielten?
Indessen rechtfertigten die Gründer der Vierten Internationale diesen entscheidenden Schritt weniger mit dem Verweis auf zurückliegende materiale Siege, die sie in der Tat bislang noch nicht davongetragen hatten, als vielmehr aus er imperativen Notwendigkeit, die sich zwingend aus ihrer Einschätzung der unmittelbaren Zukunftsaussichten der Menschheit ergaben.
Der bestimmende Moment jener Etappe des internationalen Klassenkampfs war in jeder Hinsicht das unmittelbare Bevorstehen des zweiten imperialistischen Welt-
Indessen rechtfertigten die Gründer der Vierten Internationale diesen entscheidenden Schritt weniger mit dem Verweis auf zurückliegende materiale Siege, die sie in der Tat bislang noch nicht davongetragen hatten, als vielmehr aus er imperativen Notwendigkeit, die sich zwingend aus ihrer Einschätzung der unmittelbaren Zukunftsaussichten der Menschheit ergaben.
Der bestimmende Moment jener Etappe des internationalen Klassenkampfs war in jeder Hinsicht das unmittelbare Bevorstehen des zweiten imperialistischen Welt-
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kriegs. Der Kampf gegen den imperialistischen Krieg hatte seit 1934 die Achse für die politische Orientierung [der Bolschewisten-Leninisten gebildet] , der unversöhnliche Kampf gegen alle Spielarten des Pazifismus und Sozialpatriotismus gibt der Vierten Internationale ihre unverkennbare Physiognomie. Die Gründe der Vierten Internationale gründen ihre Prognose über die Entwicklungsrhythmen vollkommen auf die Voraussage des Weltkrieges und der revolutionäre Krise, die er hervorrufen würde.
"Der Krieg lässt nur für zwei Tendenzen in den Reihen der Arbeiterbewegung Platz: den Sozialpatriotismus, der vor keinem Verrat haltmacht, und für den revolutionären Internationalismus, der unbeugsam ist un imstande, bis zum Ende zu gehen."
(Zentrismus, Sektierertum und die Vierte Internationale, 22. 10. 1935)
Die offizielle Gründung der Internationale stützt sich auf die Erwartung, dass die interntionale Organisation der Bolschewisten-Leninisten während und unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg dieselbe Rolle zufallen würde, wie sie die Zimmerwalder Linke im ersten Weltkrieg gespielt hatte. Der Akt der Gründung war insofern eine Art Wechsel auf die Zukunft. Aber das Vertrauen der Väter der Vierten Internationale auf die allernächste Zukunft erwies sich durchaus nicht als unberechtigt. In der Tat steuerte dien Entwicklung der gesamten Weltpolitik unaufhaltsam auf den Krieg zu, und es konnte nicht ausbleiben, dass dieser Krieg in eine noch tiefere Zerrüttung der bestehenden Ordnung , zu noch schwereren sozialen Konvulsionen führen musste, als der von 1914-18.
Und in dieser durch den Krieg heraufbeschworenen Krise sahen Trotzki und seine Anhänger das eigentliche Terrain, auf dem die neue Internationale den entscheidenden Durchbruch im Kampf um die Führung der proletarischen Avantgarde schaffen würde. Im Hauptdokument der Gründungskonferenz, "Die Todeskrise des Imperialismus und die Aufgaben der Vierten Internationale", ist der Rückgriff auf die Erfahrung der ersten Weltkriegs unverkennbar:
"Zu Beginn des Krieges werden die Sektionen der IV. Internationale unvermeidlich in Isolierung geraten: Ein jeder Krieg trifft die Volksmassen unvorbereitet und drängt sie auf die Seiten der Regierungsmaschine. Die Internationalisten müssen gegen den Strom schwimmen. Jedoch werden die Zerstörungen und Gräuel des neuen Krieges, die bereits in den ersten Monaten die blutigen Schrecken con 1914/18 weit hinter sich lassen dürften, die Massen sehr bald desillusionieren. Ihr Unmut und ihr Aufbegehren werden sprunghafte Fortschritte machen. Die Sektionen der Vierten Internationale werden sich an der Spitze der revolutionären Springflut wiederfinden. Das Programm der Übergangsforderungen wird eine brennende Aktualität erhalten. Das Problem der Machtergreifung wird sich in seiner ganzen Breite stellen."
Das 'Übergangsprogramm'* erhofft sich also vom kommenden Krieg nichts geringeres als die Machtergreifung der Arbeiterklasse unter der Führung der Vierten Internationale! Und es handelt sich keineswegs um eine zufällige deklamatorische Übertreibung, denn in dem schon erwähnten Interview mit C.L.R. James wiederholt Trotzki im April 1939:
"Wenn jetzt der Krieg ausbricht, und es sieht so aus, als würde er bald ausbrechen, werden wir im ersten Monat drei Viertel von dem verlieren, was wir heute in Frankreich haben. Sie werden zerstreut werden. Sie sind jung und man wird sie einziehen. Subjektiv werden viele unserer Bewegung treu bleiben. Und diejenigen, die übrig bleiben und nicht verhaftet werden - drei oder fünf, ich weiß es nicht - werden vollständig isoliert sein. Erst nach einigen Monaten werden sich in weitem Umfang Kritik und Empörung breit machen, aber dann werden unsere isolierten Genossen überall - im Lazarett, im Schützengraben, eine Frau in einem Dorf - eine veränderte Atmosphäre antreffen und ein mutiges Wort aussprechen. Und derselbe Genosse, der bislang ein unbekanntes Mitglied irgendeiner Pariser Sektion gewesen ist, wird nun zum Führer eines Regiments, einer Division, und er wird sich als ein mächtiger revolutionärer Führer wiederfinden. Ein derartiger Umschwung liegt im Charakter unserer Epoche."
Die offizielle Gründung der Internationale stützt sich auf die Erwartung, dass die interntionale Organisation der Bolschewisten-Leninisten während und unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg dieselbe Rolle zufallen würde, wie sie die Zimmerwalder Linke im ersten Weltkrieg gespielt hatte. Der Akt der Gründung war insofern eine Art Wechsel auf die Zukunft. Aber das Vertrauen der Väter der Vierten Internationale auf die allernächste Zukunft erwies sich durchaus nicht als unberechtigt. In der Tat steuerte dien Entwicklung der gesamten Weltpolitik unaufhaltsam auf den Krieg zu, und es konnte nicht ausbleiben, dass dieser Krieg in eine noch tiefere Zerrüttung der bestehenden Ordnung , zu noch schwereren sozialen Konvulsionen führen musste, als der von 1914-18.
Und in dieser durch den Krieg heraufbeschworenen Krise sahen Trotzki und seine Anhänger das eigentliche Terrain, auf dem die neue Internationale den entscheidenden Durchbruch im Kampf um die Führung der proletarischen Avantgarde schaffen würde. Im Hauptdokument der Gründungskonferenz, "Die Todeskrise des Imperialismus und die Aufgaben der Vierten Internationale", ist der Rückgriff auf die Erfahrung der ersten Weltkriegs unverkennbar:
"Zu Beginn des Krieges werden die Sektionen der IV. Internationale unvermeidlich in Isolierung geraten: Ein jeder Krieg trifft die Volksmassen unvorbereitet und drängt sie auf die Seiten der Regierungsmaschine. Die Internationalisten müssen gegen den Strom schwimmen. Jedoch werden die Zerstörungen und Gräuel des neuen Krieges, die bereits in den ersten Monaten die blutigen Schrecken con 1914/18 weit hinter sich lassen dürften, die Massen sehr bald desillusionieren. Ihr Unmut und ihr Aufbegehren werden sprunghafte Fortschritte machen. Die Sektionen der Vierten Internationale werden sich an der Spitze der revolutionären Springflut wiederfinden. Das Programm der Übergangsforderungen wird eine brennende Aktualität erhalten. Das Problem der Machtergreifung wird sich in seiner ganzen Breite stellen."
Das 'Übergangsprogramm'* erhofft sich also vom kommenden Krieg nichts geringeres als die Machtergreifung der Arbeiterklasse unter der Führung der Vierten Internationale! Und es handelt sich keineswegs um eine zufällige deklamatorische Übertreibung, denn in dem schon erwähnten Interview mit C.L.R. James wiederholt Trotzki im April 1939:
"Wenn jetzt der Krieg ausbricht, und es sieht so aus, als würde er bald ausbrechen, werden wir im ersten Monat drei Viertel von dem verlieren, was wir heute in Frankreich haben. Sie werden zerstreut werden. Sie sind jung und man wird sie einziehen. Subjektiv werden viele unserer Bewegung treu bleiben. Und diejenigen, die übrig bleiben und nicht verhaftet werden - drei oder fünf, ich weiß es nicht - werden vollständig isoliert sein. Erst nach einigen Monaten werden sich in weitem Umfang Kritik und Empörung breit machen, aber dann werden unsere isolierten Genossen überall - im Lazarett, im Schützengraben, eine Frau in einem Dorf - eine veränderte Atmosphäre antreffen und ein mutiges Wort aussprechen. Und derselbe Genosse, der bislang ein unbekanntes Mitglied irgendeiner Pariser Sektion gewesen ist, wird nun zum Führer eines Regiments, einer Division, und er wird sich als ein mächtiger revolutionärer Führer wiederfinden. Ein derartiger Umschwung liegt im Charakter unserer Epoche."
*) Die Hauptresolution der Gründungskonferenz Die Todeskrise des Imperialismus und die Aufgaben der Vierten Internationale verdankt ihren irreführenden Beinamen "das Übergangsprogramm" dem trivialen Umstand, dass die Konferenz es nicht schaffte, für die neue Internationale ein Programm zu verabschieden. Im internen Schriftverkehr der SWP, die während des Krieges die faktische Leitung der Internationale übernommen hat, wurde ersatzweise darum diese Hauptresolution "vorübergehend" als the Transitional Program bezeichnet. Mit dem Begriff eines Programms der Übergangsforderungen hat es wenig zu tun.
JE
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Trotzkis Optimismus gegenüber den revolutionären Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges und sein Unmut über den Zustand der französischen Sektion führten ihn sogar zu dem durchaus umstrittenen Entschluss, dass diese sich der links-zentristischen PSOP anschließen solle, die sich von der SFIO abgespalten hatte - ein Manöver, von dem er sich die "Schaffung einer wahrhaft revolutionären Avantgarde von einigen tausend Leuten" erhoffte. Stattdessen führte auch dieser Schritt wieder zu einer Spaltung der Sektion. Die Mehrheit, die keine Hoffnung in die PSOP setzen mochte, weigerte sich, den Entschluss zu vollziehen, und wurde aus der Internationsale ausgeschlossen. Die Minderheit jedoch konnte unmittelbar nach Kriegsausbruch nicht verhindern, dass das hybride Gebilde PSOP in tausend Stücke zerplatzte. Der Weltkrieg, der das Schicksal der Internationale hatte entscheiden sollen, fand die französische Sektion in einem Zustand völliger Desorganisation und politischer Verwirrung vor.
Aber natürlich hätten die "drei oder fünf" französischen Bolschewisten-Leninisten der enormen Aufgabe, die Trotzki ihnen zugedacht hatte, nur gerecht werden können, wenn sie von Anbeginn eine unabhängige internationalistische Haltung gegenüber der Krieg eingenommen hätte. Im 'Übergangsprogramm' hatte es immerhin unzweideutig geheißen:
"Die imperialistische Bourgeoisie beherrscht die Welt. Und eben deshalb wird deer kommende Krieg seinem Grundcharakter nach ein imperialistischer Krieg sein. Der wesentliche Inhalt der Politik der internationalen Arbeiterklasse wird daher der Kampf gegen den Imperialismus und gegen den Krieg sein. Das Grundprinzip dieses Kampfes wird lauten: 'Der Hauptfeind steht im eigenen Land' oder 'Die Niederlage unserer eigenen - imperialistischen Bourgeoisie ist das kleiner Übel'."
Dies war allerdings keineswegs die Position deer Mehrheit der französischen Anhänger der Vierten Internationale, die stattdessen vor dem Chauvinismus ihrer eigenen imperialistische Bourgeoisie kapitulierte und einen Block mit deren patriotischen Flügel anstrebte - eine von jenen "Verleumdungen" aus dem Mistkübel verbohrter Sekten* übrigens, die wir sogleich mit zwei Zitaten belegen wollen:
"Die französische Bourgeoisie hat sich in eine Sackgasse verlaufen: Um sich vor der Revolution zu retten, hat sie sich Hitler in die Arme geworfen. Um sich aus dessen Umarmung zu retten, bleibt ihr nur übrig, sich in die Arme der Revolution zu werfen. Wir sagen nicht, dass sie das frohen Herzens tun werden, noch dass diejenige Fraktion der französischen Bourgeoisie, die zu einem solchen Spiel imstande wäre, die bedeutendste ist: Die Mehrheit der Bourgeoisie erhofft heimlich ihr Wohl von England; eine starke Minderheit erhofft es von Hitler. Es ist die französische Fraktion der Bourgeoisie, der wir die Hand entgegenstrecken. …
Unsere Politik muss vor allem auf jene Fraktion der Bourgeoisie ausgerichtet sein, sie vor allem französisch sein will, die weiß, dass sie das Wohl Frankreichs nur von den Volksmassen erhoffen darf, die imstande ist, eine kleinbürgerliche nationalistische Bewegung hervorzubringen und die imstande ist, die Karte der französischen Revolution auszuspielen."
(aus "Revolution von rechts oder von links oder vielleicht von rechts und links" in Bulletin du Comité pour la Quatrième Internationale (später La Vérité) N°2; 20. 9. 1940
*) Anspielung auf eine Polemik des Vereinigten Sekretariats gegen die IKD. JE
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Ein ganzes Jahr nach Kriegsbeginn rechnet also die Mehrheit der französischen Anhänger der Vierten Internationale darauf, dass eine Fraktion der Bourgeoisie die "Volksmassen" in eine "Revolution von links oder rechts oder vielleicht von rechts und links" führen wolle; sie selbst bescheiden sich unterdessen damit, die "Reichtümer Frankreichs" zu verteidigen und vor allen Dingen "den großartigen Beitrag, den die französischen Schriftsteller und Gelehrten zum intellektuellen Erbe der Menschheit beigetragen haben." (a.a.O.)
Und vermutlich nur, um den Verleumder Mandel Lügen zu strafen, dem dieses Zitat spätestens seit der Weihnachtskonferenz 1969 der IKD bekannt ist, stellte die Europäische Konferenz im Februar 1944 in Anwesenheit seines Intimfreundes Germain fest:
"Statt zwischen dem Nationalismus der besiegten Bourgeoisie, der nach wie vor nur Ausdruck ihrer imperialistischen Absichten ist, und dem "Nationalismus" der Massen zu unterscheiden. der nur ei reaktionärer Ausdruck ihres Widerstandes gegen die Ausbeutung durch den Besatzer-Imperialismus ist, hielt die Führung der POI [späterer Name des Comité pour la Quatrième Internationale] den Kampf ihrer eigenen Bourgeoisie für progressiv, distanzierte sich nicht von Anbeginn vom Gaullismus und begügte sich damit, ihm einen "revolutionären" Ausdruck zu verleihen."
(zit. nach J.-J. Marie, Le trotzkysme , Paris 1970)
Dieselbe Konferenz verurteilte zugleich den symmetrischen Fehler der anderen trotzkistischen Gruppe C.C.I., die genauso wenig zwischen dem Nationalismus der Massen und der Politik der eigenen Bourgeoisie unterscheiden mochte und zu einer zwar sehr prinzipienfesten, aber leider ebenso sterilen Ablehnung der Résistance gelangt war.
Die Resolution der Europäischen Konferenz war nötig geworden angesichts der Vereinigung der bis dahin konkurrierenden Gruppen P.O.I. und C.C.I. in der P.C.I. Sie verschleiert allerdings die Tatsache, dass von den Verantwortlichen vor allem der P.O.I. weder vor noch nach dieser - im Übrigen keineswegs vollständigen - Wiedervereinigung irgendeine politische Selbstkritik vorgelegt worden war. Mit dieser Resolution ließ man es sein Bewenden haben. Es wurde nicht weiter nachgeforscht, wie es zu einem so weitgehenden Bruch mit dem Programm der Internationale hatte kommen können. Um die zarte, mühselig errungene Wiedervereinigung der französischen Sektion nicht zu gefährden, ließ man Gras wachsen über eine Affäre, die doch schlaglichtartig die enormen Schwächen der Bewegung und die ihr drohenden Gefahren beleuchtet hatte. Man verschloss die Augen vor den tieferliegenden Ursachen dieser Kapitulation , nämlich der naturwüchsigen Empfänglichkeit von Gruppen mit kleinbürgerlich-intellektuellem Ursprung für den ideologischen Druck, der von der Bourgeoisie ausgeht und von der Kleinbourgeoisie nach unten weitergereicht wird - vermutlich in der instinktiven Ahnung, dass es sich hierbei keineswegs bloß um eine Eigenheit der französischen Bewegung handelte. Aber gerade eine Wiedervereinigung, die auf dermaßen wackligen Beinen stand, dass sie nicht einmal einer tiefgreifenden Diskussion über die Ursachen vergangener Fehler standzuhalten vermochte, konnte kaum einen brauchbaren Beitrag zur bolschewistischen Regeneration der französischen Sektion liefern. Sie musste vielmehr das nicht-bolschewistische, nicht-proletarische, sondern kleinbürgerlich-individualistische Verständnis vom Charakter der kommunistischen Partei zementiere, unter dem die Bewegung schon zu Zeiten der Linken Opposition so stark zu leiden hatte.
Dieselbe Konferenz verurteilte zugleich den symmetrischen Fehler der anderen trotzkistischen Gruppe C.C.I., die genauso wenig zwischen dem Nationalismus der Massen und der Politik der eigenen Bourgeoisie unterscheiden mochte und zu einer zwar sehr prinzipienfesten, aber leider ebenso sterilen Ablehnung der Résistance gelangt war.
Die Resolution der Europäischen Konferenz war nötig geworden angesichts der Vereinigung der bis dahin konkurrierenden Gruppen P.O.I. und C.C.I. in der P.C.I. Sie verschleiert allerdings die Tatsache, dass von den Verantwortlichen vor allem der P.O.I. weder vor noch nach dieser - im Übrigen keineswegs vollständigen - Wiedervereinigung irgendeine politische Selbstkritik vorgelegt worden war. Mit dieser Resolution ließ man es sein Bewenden haben. Es wurde nicht weiter nachgeforscht, wie es zu einem so weitgehenden Bruch mit dem Programm der Internationale hatte kommen können. Um die zarte, mühselig errungene Wiedervereinigung der französischen Sektion nicht zu gefährden, ließ man Gras wachsen über eine Affäre, die doch schlaglichtartig die enormen Schwächen der Bewegung und die ihr drohenden Gefahren beleuchtet hatte. Man verschloss die Augen vor den tieferliegenden Ursachen dieser Kapitulation , nämlich der naturwüchsigen Empfänglichkeit von Gruppen mit kleinbürgerlich-intellektuellem Ursprung für den ideologischen Druck, der von der Bourgeoisie ausgeht und von der Kleinbourgeoisie nach unten weitergereicht wird - vermutlich in der instinktiven Ahnung, dass es sich hierbei keineswegs bloß um eine Eigenheit der französischen Bewegung handelte. Aber gerade eine Wiedervereinigung, die auf dermaßen wackligen Beinen stand, dass sie nicht einmal einer tiefgreifenden Diskussion über die Ursachen vergangener Fehler standzuhalten vermochte, konnte kaum einen brauchbaren Beitrag zur bolschewistischen Regeneration der französischen Sektion liefern. Sie musste vielmehr das nicht-bolschewistische, nicht-proletarische, sondern kleinbürgerlich-individualistische Verständnis vom Charakter der kommunistischen Partei zementiere, unter dem die Bewegung schon zu Zeiten der Linken Opposition so stark zu leiden hatte.
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Aber nicht nur die französischen Trotzkisten erlagen dem ideologischen Druck seitens der Kleinbourgeoisie, für den sie aufgrund ihrer sozialen Zusammensetzung äußerst empfänglich waren, sondern ihre deutschen Genossen, die in ihrer Anpassung an die patriotische und demokratische Sentimentalität des Kleinbürgertums noch einige entscheidende Schritte weitergingen.
Das Auslandskomitee (A.K.) der damaligen IKD - die im Inland praktisch vernichtet worden waren - vertrat offen die These, dass sich die proletarisch-sozialistische Revolution in Europa Angesichts des 'Versagens' der Arbeiterklasse im Zweiten Weltkrieg in einer allgemeinen 'demokratischen' Revolution auflösen müsse, deren wesentliche Triebkraft die 'Nationale Frage' sein werde:
"Der Übergang vom Faschismus zum Sozialismus bleibt eine Utopie, wenn man sich nicht auf eine Zwischenetappe einstellt, die im Wesentlich einer demokratischen Revolution entsprechen wird." (Drei Thesen über die nationale Frage in Europa, 19. Okt. 1941, zit. nach J.-J. Marie, op. cit.)
Diese Position, die am Ende des Krieges noch weiter ausgebaut und systematisiert wurde (vgl. "Questions of the European Revolution", in Workers International News, July-August 1945, und "Two Balance Sheets", ebd., Sept.-Oct. 1946) führte konsequenterweise zu einer gründlichen Aufgabe des proletarischen Klassenstandpunktes:
"In ihrer praktischen Tätigkeit in Deutschland gingen die Protagonisten der IKD-Position von der Erwartung aus, dass Universitätsstudenten und verschiedene -schichten einer "nationalistischen Jugend" - ohne jede Klassen-Spezifizierung! - eine "nationale Revolution" führen würden, die angeblich alle Gesellschaftsklassen in Deutschland vereinigen werde!" (E. Grant, "National Democratic Revolution Or Proletarian Revolution: The Tasks in Germany". in W.I.N., Jan.-Feb. 1947)
Gewiss, diese Thesen der deutschen Emigranten-Sektion wurden von der Internationale zurückgewiesen; der Umstand indessen, dass einige zentrale Themen dieser Herausforderung an die trotzkistische 'Orthodoxie' auch in den Spaltungen der folgenden Jahre in der einen oder anderen Verkleidung immer wieder auftauchen sollten, deutet bereits darauf hin, dass sich hinter der offenkundigen Falschheit solcher revisionistischen Tendenzen eine äußerst reale Problematik verbarg, derer der bloße Rekurs auf die Orthodoxie des geschriebenen Wortes nicht Herr zu werden vermochte:
"Die 'orthodoxe' Vierte International ging davon aus, dass der Krieg notwendig in die proletarische Revolution einmünden würde - getragen von einer Arbeiterbewegung unter der Führung der Vierten Internationale. Nun ist der Krieg vorbei, und es gibt keine proletarische Klassenbewegung - im Sinne einer von der Bourgeoisie unabhängigen Bewegung, wobei wir die Sozialdemokratie und den Stalinismus nicht zählen, welche beide für die Rechnung der Bourgeoisie arbeiten -, es gibt keine Revolution und es gibt keine Führung durch die Vierte Internationale. Dies ist in Kürze das dreifache Defizit in der Bilanz der 'Orthodoxen'." ("Two Balance Sheets", Beitrag von einigen Genossen der IKD, in W.I.N., Sept.-Oct. 1946)
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Im Dilemma - zwischen Dogma und Revision
Wir haben bereits bereits gesehen, welcj zentraler Platz dem bevorstehenden Welt in der Orientierung deer neugegründeten Internationale zugekommen war; aber nicht bloß dem Weltkrieg selbst und den Möglichkeiten der revolutionären Agitation, die die Ernüchterung der Massen unvermeidlich mit sich bringen musste, sondern vor allen Dingen der weltpolitischen Resultate, auf welche die trotzkistische Bewegungn ihre Perspektive gegründet hatte. Denn Trotzkis Prognose für den Ausgang des Krieges nahm nicht allein einen international verallgemeinerten Aufschwung der revolutionären Massenkämpfe im Gefolge der vollständigen Zerrüttung des internationalen imperialistischen Systems, sondern auch insbesondere den Zusmmenbruch des stalinistischen Systems als Ergebnis entweder der militärischen Niederlage der Sowjetunion oder der Wiedereroberung der politischen Macht durch eine vom Weltkrieg aufgerüttelte russische Arbeiterklasse an.
Trotzki war bei seiner Analyse der Sowjetbürokratie als besonderer gesellschaftlich privilegierter Schicht immer von deren Zwitternatur ausgegangen; sie stellt einerseits eine bösartige Geschwulst am Körper der siegreichen Arbeiterklasse dar, die das Überleben des ganzen Organismus in Frage stellt, und andererseits ist sie zugleich Ausdruck des noch ungebrochenen imperialistischen Übergewichts in der Weltarena - sie ist das Organ, durch welches das kapitalistische Weltsystem seinen Interessen im Innern des isolierten Arbeiterstaats Geltung verschafft. Die Bürokratie ist eben keine wesentlich neue gesellschaftliche Formation mit einer eigenen historischen Idenität, mit selbstständigen objektiven gesellschaftlichen Interesssen, sondern ein Parasit, der sich in den Lücken des noch nicht voll ausgetragenen Widerspruchs zwichen den Interessen des kapitalistischen Weltsystems und denen der internationalen Arbeiterklasse eingenistet hat. Sein Lebenselixir ist die weltgeschichtliche Stagnation, denn logischerweise macht die gründliche Lösung des Widerspruchs nach der einen oder anderen Richtung hin seinem Schmarotzerdasein ein promptes Ende. Deswegen bildet er einerseits in der Weltpolitik ein äußerst konservatives Element, das unter der Parole "Sozialismus ein einme Land" und "freidliche Koexistenz" vor allen Dingen des status quo zu sicher bedacht ist.
Trägt die Bürokratie also Zwei Seelen in ihrer Brust - einerseits der faule, treulose und diebische Kommis der Arbeiterklasse, andererseits Statthalter der Prinzipien der Alten Gesellschaft inerhalb des Arbeiterstaats -, so trägt sie ihre Zeideutigkeiten in die sowjetische Gesellschaft hinein, wo sie derart die ohnehin vorhandenen Widersprüche künstlich verschärft. Wenn sich nun das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen im internationalen Rahmen spürbar zugunsten der einen oder anderen verschiebt, so verstärkt sich der Druck dieser Klasse auf die Sowjetbürokratiie und lässt die mühselig durch den Terror der GPU zusammengehaltenen widerstreitenden Kräfte in ihrem Innern offen ausbrechen - die Bürokratie spaltet sich in zwei Teile, der eine läuft offen ins Lager des Imperialismus über ("Fraktion Butenko"). der andere - vermutlich kleinere - kehrt auf die Seite der Arbeiterklasse zurück ("Fraktion Reiss").
Genau dies war die Erwartung, die Trotzki - und mit ihm die junge Internationale - in den Ausgang des Krieges mit der Sowjetunion setzte (siehe In Defence Of Marxism, insbesondere "Die UdSSR im Kriege", sowie 'Übergangsprogramm'.) Der imperialistische Einfall in die Sowjetunion würde alle Widersprüche auf die Spitze
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treiben und die historische Alternative: politische Revolution gegen die Bürokratie oder Rückfall in den Kapitalismus? zu einer tagespolitischen Aktualität zu machen. So oder so - der Stalinismus würde aus diesem Zusammenstoß der ihm innewohnenden gegensätzlichen Tendenzen restlos vernichtet hervorgehen, der Bann, mit dem die Bürokratie die Vorhut der internationalen Arbeiterklasse belegt hat, wäre gebrochen, und das Erbe des Oktobers würde nun auch für die proletarischen Massen der ganzen Welt sichtbar an die Vierte Internationale übergehen. Diese historische Prognose ist die eigentliche Prämisse für die Proklamation der Vieerten Internationale im Jahr 1938.
Aber obwohl die unvermeidliche revolutionäre Nachkriegskrise nicht nur ein Land wie China - von der Größe eines ganzen Kontinents -, sondern auch entwicklelte kapitalistische Länder wie Frankreich und Italien erfasste, ist die Macht des Stalinismus über die internationale Arbeiterklasse weit davon entfernt, gebrochen zu sein - sein Prestige ist im Gegenteil ungeahnt gestiegen, und sein ideologischer Einfluss reicht aus, um die bewaffneten Massen in Frankreich, Italien und Griechenland ebenso wie in Indochina der Gnade der verbündeten "demokratischen Imperialisten" auszuliefern. Der staatliche Machtbereich der Sowjetbürokratie dehnt sich auf ganz Osteuropa und schließlich auch auf den größeren Teil Asiens aus.
Das für die strategische Orientierung der Vierten Internatioale zentrale Moment der revolutionären Nachkriegskrise bleibt aus. Ist damit ihre fundamentale Analyse der Sowjetbürokratie widerlegt? Weist Trotzkis Interpretation eine immanente Schwäche auf, hat er die Resistenzkrft und Homogenität der Bürokratie unterschätzt? Konnte sie sich auch gegenüber dem imperialistischen Überfall halten, weil sie am Ende doch solidere Wurzeln in der Geschichte hat, als die trotzkistische Analyse annahm? Weil sie vielleicht doch eine auf dem Weg zum Sozialismus unvermeidliche und deshalb historisch progressive Erscheinung ist? Oder etwa, weil sie ein völlig neues gesellschaftliches Phänomen, die herrschende Klasse in einer neuen, von der marxistischen Theorie nicht vorhergesehenen Gesellschaftsformation darstellt?!
Hier ist nicht der Platz, um sich mit diesen beiden wichtigsten Ansätzn zur Revision des ursprünglichen trotzkistischen Standpunkts - die übrigens noch stets zur politischen Kapitulation vor dem Stalinismus im ersten und vor der Sozialdemokratie im zweiten Fall geführt haben - eingehend theoretisch auseinanderzusetzen. Es reicht jedoch aus, darauf hinzuweisen, dass die Sowjetunion nicht - wie Trotzki mit einigem Grund annehmen musste - allein einer Koalition der größten imperialistischen Mächte gegenüberstand, sondern vielmehr ihrerseits mit dem mächtigsten Imperialismus, dem amereikanischen, gegen den zweitstärksten, den deutschen, verbündet war.
Der 'Irrtum' in Trotzkis Prognose liegt in einer militärischen Kräftekonstellation begründet, die er in der Tat nicht hatte vorhersehen können; denn immerhin hat der amerikanische Generalstab nach Stalingrad mit seinem britischen Alliierten die Frage untersucht, ob nicht die Westmächte unteer bestimmten Bedingungen mit einem geschwächten Deutsschland einen Separatfrieden abschließen und einen gemeinsamen Feldzug gegen die Sowjetunion führen sollten, und bekanntlich soll es auch in den Spitzen des Naziregimes entsprechende Überlegungen gegben haben. - Diese Fehleinschätzung Trotzkis ist konjuktureller Art, sie ist keineswegs in seiner Analyse der Sowjetgesellschaft angelegt, sondern ist vollkommen äußerlich - kann also für sich nicht hinreichender Anlass für eine grundsätzliche
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Revision bieten.
Das änderte für die Vierte Internationale jedoch leider nichts am faktischen Resultat. Der Stalinismus war stärker als je zuvor, der Kampf um die Vorhut der Arbeiterklasse musste gegen einen erstarkten Feind aufgenommen werden, nicht gegen einen geschwächten. Die Tatsache, dass die Hitlerarmee ihre erste große Niederlage auf Sowjetboden davongetragen hatte, verschaffte dem Stalinismus eine solche Aura, dass selbst die bewusst konterrevolutionäre und restaurative Politik der westlichen stalinistischen Parteien - Thorez ("Der Streik ist eine Wafffe der Trusts") wird Minister de Gaulles, Togliatti ist Minister des monarchistischen Generals Badoglio! - nicht ausreicht, um wenigstens der proletarischen Avantgarde die Augen über die Natur des Stalninismus zu öffen und so der Vierten Internationale einen Einffluss auf die Arbeiterklasse zu ermöglichen.
Der Kampf um die Vorhut der Arbeiterklasse musste also - was das Kräfteverhältnis gegenüber Stalinismus ud Sozialdemokratie betrifft - im wesentlichen unter denselben Bedingungen angetreten werden, wie in dem Jahrzehnt, das dem Krieg vorangegangen war. Die entscheidende Prämisse der Gründungskonferenz hatte sich nicht realisiert.
Aber damit war die Lage keineswegs hoffnungslos. Im Gegenteil - denn immerhin hatte die Krise des imperialistischen Systems insgesamt das Kräfteverhältnis wenigstens vorübergehend zugunsten der Arbeiterklasse verändert, und einige der wichtigsten Sektionen der Internationale hatten während des Krieges zwar keine überwältigenden, aber immerhin brauchbare Fortschritte machen können. Vor allen Dingen der amerikanischen und britischen Sektion war es dank ihres kompromisslosen Kampfes gegen den Krieg und ihre Rolle bei den Streiks, die von den Stalinisten als "Nazi-Provokationen" wüst bekämpft worden waren, gelungen, ihre Wurzeln in der Arbeiterklasse zu festigen und auszubauen. In Großbritannien, wo der Trotzkismus vor dem Krieg so gut wie gar keine Rolle gespielt hatte, verfügte die R.C.P. mittlerweile über rund 450 Mitglieder - zu über achtzig Prozent Industriearbeiter.
Selbst in Frankreich war es den Trotzkisten trotz ihrer vergangenen Spaltungen und trotz ihrer mehr als zweideutigen Politik in den ersten Kriegsjahren gelungen, in der illegalen Arbeiterbewegung Fuß zu fassen, und in Ländern wie Cochinchina, Bolivien und Ceylon fanden sich die Trotzkisten tatsächlich an der Spitze der kämpfenden proletarischen Avantgarde.
Auf der anderen Seite der Bilanz stand jedoch der fast vollständige Verlust der alten Führungskader, und nicht nur der Gründer der Bewegung selbst, sondern fast die Gesamtheit derer, die die neue Internationale aufgebaut und gegründet hatten - sie waren entweder den kombinierten Anstrengungen von Gestapo und GPU oder (in geringerem Maße) einfach der Demoralisierung zum Opfer gefallen.
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Wenn also trotz der unveränderten Kraft des Stslinismus keineswegs schon alles verloren war, so konnte die Internationale doch nur dann eine positive und solide Entwicklung gewärtigen, wenn es ihr gelang, die von der Gründungkonferenz 1938 überkommene Einschätzung der Weltlage den tatsächlichen Ergeb- nissen des Weltkrieges anzupassen. Und an dieser Stelle machte sich nun der Verlust der führenden Kader der Vorkriegszeit entscheidend bemerkbar. Zwar hatten auch sie, wie wir gesehen haben, in den wenigsten Fällen auf solide Erfahrungen im Klassenkampf zurückblicken können; aber die hatten den revolutionären Marxismus immerhin im Laufe langjähriger ideeller und fraktioneller Auseinandersetzungen assimiliert. Das war eine etwas formelle, leblose und scholastische Schule gewesen - aber diejenigen, die sie nun an der Spitze der Internatioanle ersetzen mussten, kannten die revolutionär-marxistische Doktrin bestenfalls aus den Büchern. Hatten die ersten den Marxismus wenn auch auf eine formelle, abstrakte und darum ideologische Art assimiliert, so hatten ihn sich die zweiten schlicht angelesen.
Da die neuen Führer sich das Programm der Vierten Internationale nun aber nicht lebendig angeeignet, sondern es fertig übernommen hatten, fanden sie sich in den Widersprüchen zwischen den Prognosen von 1938-40 und den Realitäten der Nachkriegszeit nicht zurecht. Zunächst wurde der Versuch unternommen, einfach alles zu leugnen, was unterdessen geschehen war. Die primitivste Variante dieser Reaktion brachte die amerikanische SWP hervor, die noch Monate nach der Kapitulation Deutschlands und Japans behauptete, dass der Krieg in irgendeiner mysteriösen Weise doch noch weitergehe (wohl in der Hoffnung, dass am Ende doch noch das vorhergesagt Resultat herauskommen könne), was auf der andern Seite des Atlantik von der deutschsprachigen Zeitschrift Neuer Spartacus durch die Formel ergänzt wurde: "Warum plündert Stalin? Weil er den Krieg verloren hat!" (zit. W.I.N., Nov.-Dec. 1946)
Aber es ließ sich auf die Dauer nicht verheimlichen: Der Krieg war vorbei, und Stalin hatte gewonnen. Dies hätte Anlass für eine gründiche Neubewertung des internationalen Kräfteverhältnisses sein müssen - und des Platzes, den die Vierte Internationale darin einnahm. Wenn sich nämlich die Prämissen der Gründungskonferenz nicht bewahrheitet hatten, hieß das dann nicht, dass die Internationale noch keineswegs jene "Weltpartei der sozialistischen Revolution", diejeneige Avantgrde der internationalen Klassenkämpfe war, als die sich sich - im Vertrauen auf ihre historische Prognose - stets genommen hatte? Wenn die Analogie zu Zimmerwald sich nicht in der Wirklichkeit bestätigt hatte, war das nicht Grund genug, die hohen Ansprüche, die man stellte, auch deutlich als das zu bezeichnen, was sie waren, nämlich eben als noch unerfüllte Ansprüche - statt sie als eine längst eroberte Bastion auszugeben?
Ein solches Ansinnen verwehrte jedoch die oberflächliche 'Orthodoxie'. Wenn man zugab, die Vierte Internationale ja im Grunde doch noch nicht zu sein, fürchtete man, nachträglich all jenen Zentristen innerhalb und außerhalb der eigenen Reihen Recht zu geben, die wie Isaac Deutscher 1938 gerufen hatten, die Zeit wäre "noch nicht reif" für die Proklamtion der Internationale, man müsse wieder einmal ein paar Jahre "warten", usw. ... Trotzki zugunsten von Deutscher desavouieren - nein, das mochte die formale 'Orthodoxie' nicht auf sich nehmen. Sie musste leugnen, dass sie den Ansprüchen, die sie selber an eine zentralisierte Weltpartei gestellt hatte, noch nicht gerecht zu werden vermochte - um im Laufe der Jahre diese Ansprücehe selbst mehr und mehr der Vergessenheit anheimfallen zu lassen.
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Dabei geht es gar nicht um die unhistorische und bornierte nachträgliche Fragestellung, ob die Gründung der Internationale 1938 "richtig" gewesen ist. Die korrekte Fragestellung lautet: War die Gründung notwendig gewesen? Hätte denn die Internationale während des Krieges entstehen können, ohne dass sie zuvor formell proklamiert worden wäre? Lag nicht die einzige Chance für die mögliche Herausbildung einer international zentralisierten, einheitlichen proletarischen Vorhut eben in dem Versuch, dieser Vorhunt von Anbeginn nicht nur eine feste programmatische, sondern auch schon, soweit irgend möglich, eine organisierte Gestalt zu geben? Unter diesem historischen Gesichtspunkt muss die Frage nach der Berechtiguung der Gründung von 1938 gestellt und beantwortet werden. Die Proklamation 1938 war die notwendige Voraussetzung für den Aufbau der kommunistischen Weltpartei gewesen; aber eben nicht eine hinreichende. Darin allein liegt noch kein Grund, sich ins programmatische Bockshorn jagen zu lassen. Seit wann hätten Revolutionäre von all ihren Unternehmungen eine verbindliche Grarantie für den Erfolg verlangt?
In jeder Hinsicht unberechtigt wäre die Gründung der Internationale allerdings dann gewesen, wenn Trotzkis Einschätzung des epochalen Charakters der Zweiten Weltkriegs grundsätzlich falsch gewesen wäre; wenn also die Möglichkeit der revolutionären Machtergreifung durch das Proletariat in mehreren wichtigen Ländern von Anfang an überhaupt nicht bestanden hätte. Dann wäre die Hoffnung, eine neue revolutionäre Organisation könnte sich durch das gleichzeitige Eingreifen in den revolutionären Prozess in mehreren Ländern zu einer proletarischen Führungskraft internationaler Dimension entwickeln, natürlich an sich schon absurd. Und erst, wenn man die Möglichkeit überhaupt nachträglich leugnete, war man tatsächlich gezwungen, mit dem Programm der Vierten Internationale zu brechen - oder genauer gesagt, diese Leugnung ist schon selber der Bruch mit dem Programm.
Aber es war auch kein Grund vorhanden, jede revolutionäre Möglichkeit grundsätzlich abzustreiten, denn nicht die revolutionäre Nachkriegskrise war ausgeblieben - nichts weniger als das! -, sondern 'lediglich' der Zerfall des mächtigsten antirevolutionären Bollwerks innerhalb der Arbeiterklasse, des Stalnismus. Selbst der bornierteste Positivist und gedankenloseste Impressionist konnte nicht leugnen, dass die Machteroberung durch das Proletariat unmittelbar am Ausgang des Krieges mindestens in Frankreich, Italien und Griechenland - um nur in Europa zu bleiben - von höchster praktischer Aktualität gewesen war - und gerade deshalb hatte sich der Imperialismus ja mit dem Stalinismus liieren müssen, denn hätten die Westmächte bereits 1945 den Kalten Krieg eröffnet, so hätten sie keinen Thorez gefunden, der den murrenden Arbeitermassen weizumachen verstand, dass die bewaffneten Arbeiter nichts nötiger bräuchten als "einen Staat, eine Armee, eine Polizei" - kurz, einen de Gaulle...
Es hätte also nichts vom Gehalt des Programms aufgegeben werden müssen - bloß die angenehme Illusion, die schwerste Augabe, den Kampf um die proletarische Avntgarde, schon hinter sich zu haben. Man hätte ich bewusst werden müssen, dass man die Vierte Internationale eben doch noch nicht war, jedenfalls nicht im Sinne einer demokratisch zentralisierten "Weltpartei der sozialistischen Revolution". Das ist wohlverstanden keine Frage des Namens - ob der Titel 'Internationale' aufgegeben worden wäre oder nicht, ist unerheblich, sofeern man mit dem Titel nicht auch das Programm, das dieser versinnbildlichen soll, über Bord geworden haben würde. Worauf es ankommt, ist die strategische Orientierung. Wenn die proletrische Avangarde in nahezu allen Ländern der Welt
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im Würgegriff des Stalinismus bleibt, wenn die Trotzkisten in den Ländern, wo sie im Klassenkampf eine führende Rolle spielen können, geschlagen und zurückgedrängt werden konnten (Indochina, später Bolivien), dann heißt das nichts anderes, als dass die trotzkistische Weltbewegung noch immer auf dem Status von Propagandagesellschaften reduziert war.
Aber obwohl die unvermeidliche revolutionäre Nachkriegskrise nicht nur ein Land wie China - von der Größe eines ganzen Kontinents -, sondern auch entwicklelte kapitalistische Länder wie Frankreich und Italien erfasste, ist die Macht des Stalinismus über die internationale Arbeiterklasse weit davon entfernt, gebrochen zu sein - sein Prestige ist im Gegenteil ungeahnt gestiegen, und sein ideologischer Einfluss reicht aus, um die bewaffneten Massen in Frankreich, Italien und Griechenland ebenso wie in Indochina der Gnade der verbündeten "demokratischen Imperialisten" auszuliefern. Der staatliche Machtbereich der Sowjetbürokratie dehnt sich auf ganz Osteuropa und schließlich auch auf den größeren Teil Asiens aus.
Das für die strategische Orientierung der Vierten Internatioale zentrale Moment der revolutionären Nachkriegskrise bleibt aus. Ist damit ihre fundamentale Analyse der Sowjetbürokratie widerlegt? Weist Trotzkis Interpretation eine immanente Schwäche auf, hat er die Resistenzkrft und Homogenität der Bürokratie unterschätzt? Konnte sie sich auch gegenüber dem imperialistischen Überfall halten, weil sie am Ende doch solidere Wurzeln in der Geschichte hat, als die trotzkistische Analyse annahm? Weil sie vielleicht doch eine auf dem Weg zum Sozialismus unvermeidliche und deshalb historisch progressive Erscheinung ist? Oder etwa, weil sie ein völlig neues gesellschaftliches Phänomen, die herrschende Klasse in einer neuen, von der marxistischen Theorie nicht vorhergesehenen Gesellschaftsformation darstellt?!
Hier ist nicht der Platz, um sich mit diesen beiden wichtigsten Ansätzn zur Revision des ursprünglichen trotzkistischen Standpunkts - die übrigens noch stets zur politischen Kapitulation vor dem Stalinismus im ersten und vor der Sozialdemokratie im zweiten Fall geführt haben - eingehend theoretisch auseinanderzusetzen. Es reicht jedoch aus, darauf hinzuweisen, dass die Sowjetunion nicht - wie Trotzki mit einigem Grund annehmen musste - allein einer Koalition der größten imperialistischen Mächte gegenüberstand, sondern vielmehr ihrerseits mit dem mächtigsten Imperialismus, dem amereikanischen, gegen den zweitstärksten, den deutschen, verbündet war.
Der 'Irrtum' in Trotzkis Prognose liegt in einer militärischen Kräftekonstellation begründet, die er in der Tat nicht hatte vorhersehen können; denn immerhin hat der amerikanische Generalstab nach Stalingrad mit seinem britischen Alliierten die Frage untersucht, ob nicht die Westmächte unteer bestimmten Bedingungen mit einem geschwächten Deutsschland einen Separatfrieden abschließen und einen gemeinsamen Feldzug gegen die Sowjetunion führen sollten, und bekanntlich soll es auch in den Spitzen des Naziregimes entsprechende Überlegungen gegben haben. - Diese Fehleinschätzung Trotzkis ist konjuktureller Art, sie ist keineswegs in seiner Analyse der Sowjetgesellschaft angelegt, sondern ist vollkommen äußerlich - kann also für sich nicht hinreichender Anlass für eine grundsätzliche
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Das änderte für die Vierte Internationale jedoch leider nichts am faktischen Resultat. Der Stalinismus war stärker als je zuvor, der Kampf um die Vorhut der Arbeiterklasse musste gegen einen erstarkten Feind aufgenommen werden, nicht gegen einen geschwächten. Die Tatsache, dass die Hitlerarmee ihre erste große Niederlage auf Sowjetboden davongetragen hatte, verschaffte dem Stalinismus eine solche Aura, dass selbst die bewusst konterrevolutionäre und restaurative Politik der westlichen stalinistischen Parteien - Thorez ("Der Streik ist eine Wafffe der Trusts") wird Minister de Gaulles, Togliatti ist Minister des monarchistischen Generals Badoglio! - nicht ausreicht, um wenigstens der proletarischen Avantgarde die Augen über die Natur des Stalninismus zu öffen und so der Vierten Internationale einen Einffluss auf die Arbeiterklasse zu ermöglichen.
Der Kampf um die Vorhut der Arbeiterklasse musste also - was das Kräfteverhältnis gegenüber Stalinismus ud Sozialdemokratie betrifft - im wesentlichen unter denselben Bedingungen angetreten werden, wie in dem Jahrzehnt, das dem Krieg vorangegangen war. Die entscheidende Prämisse der Gründungskonferenz hatte sich nicht realisiert.
Aber damit war die Lage keineswegs hoffnungslos. Im Gegenteil - denn immerhin hatte die Krise des imperialistischen Systems insgesamt das Kräfteverhältnis wenigstens vorübergehend zugunsten der Arbeiterklasse verändert, und einige der wichtigsten Sektionen der Internationale hatten während des Krieges zwar keine überwältigenden, aber immerhin brauchbare Fortschritte machen können. Vor allen Dingen der amerikanischen und britischen Sektion war es dank ihres kompromisslosen Kampfes gegen den Krieg und ihre Rolle bei den Streiks, die von den Stalinisten als "Nazi-Provokationen" wüst bekämpft worden waren, gelungen, ihre Wurzeln in der Arbeiterklasse zu festigen und auszubauen. In Großbritannien, wo der Trotzkismus vor dem Krieg so gut wie gar keine Rolle gespielt hatte, verfügte die R.C.P. mittlerweile über rund 450 Mitglieder - zu über achtzig Prozent Industriearbeiter.
Selbst in Frankreich war es den Trotzkisten trotz ihrer vergangenen Spaltungen und trotz ihrer mehr als zweideutigen Politik in den ersten Kriegsjahren gelungen, in der illegalen Arbeiterbewegung Fuß zu fassen, und in Ländern wie Cochinchina, Bolivien und Ceylon fanden sich die Trotzkisten tatsächlich an der Spitze der kämpfenden proletarischen Avantgarde.
Auf der anderen Seite der Bilanz stand jedoch der fast vollständige Verlust der alten Führungskader, und nicht nur der Gründer der Bewegung selbst, sondern fast die Gesamtheit derer, die die neue Internationale aufgebaut und gegründet hatten - sie waren entweder den kombinierten Anstrengungen von Gestapo und GPU oder (in geringerem Maße) einfach der Demoralisierung zum Opfer gefallen.
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Wenn also trotz der unveränderten Kraft des Stslinismus keineswegs schon alles verloren war, so konnte die Internationale doch nur dann eine positive und solide Entwicklung gewärtigen, wenn es ihr gelang, die von der Gründungkonferenz 1938 überkommene Einschätzung der Weltlage den tatsächlichen Ergeb- nissen des Weltkrieges anzupassen. Und an dieser Stelle machte sich nun der Verlust der führenden Kader der Vorkriegszeit entscheidend bemerkbar. Zwar hatten auch sie, wie wir gesehen haben, in den wenigsten Fällen auf solide Erfahrungen im Klassenkampf zurückblicken können; aber die hatten den revolutionären Marxismus immerhin im Laufe langjähriger ideeller und fraktioneller Auseinandersetzungen assimiliert. Das war eine etwas formelle, leblose und scholastische Schule gewesen - aber diejenigen, die sie nun an der Spitze der Internatioanle ersetzen mussten, kannten die revolutionär-marxistische Doktrin bestenfalls aus den Büchern. Hatten die ersten den Marxismus wenn auch auf eine formelle, abstrakte und darum ideologische Art assimiliert, so hatten ihn sich die zweiten schlicht angelesen.
Da die neuen Führer sich das Programm der Vierten Internationale nun aber nicht lebendig angeeignet, sondern es fertig übernommen hatten, fanden sie sich in den Widersprüchen zwischen den Prognosen von 1938-40 und den Realitäten der Nachkriegszeit nicht zurecht. Zunächst wurde der Versuch unternommen, einfach alles zu leugnen, was unterdessen geschehen war. Die primitivste Variante dieser Reaktion brachte die amerikanische SWP hervor, die noch Monate nach der Kapitulation Deutschlands und Japans behauptete, dass der Krieg in irgendeiner mysteriösen Weise doch noch weitergehe (wohl in der Hoffnung, dass am Ende doch noch das vorhergesagt Resultat herauskommen könne), was auf der andern Seite des Atlantik von der deutschsprachigen Zeitschrift Neuer Spartacus durch die Formel ergänzt wurde: "Warum plündert Stalin? Weil er den Krieg verloren hat!" (zit. W.I.N., Nov.-Dec. 1946)
Aber es ließ sich auf die Dauer nicht verheimlichen: Der Krieg war vorbei, und Stalin hatte gewonnen. Dies hätte Anlass für eine gründiche Neubewertung des internationalen Kräfteverhältnisses sein müssen - und des Platzes, den die Vierte Internationale darin einnahm. Wenn sich nämlich die Prämissen der Gründungskonferenz nicht bewahrheitet hatten, hieß das dann nicht, dass die Internationale noch keineswegs jene "Weltpartei der sozialistischen Revolution", diejeneige Avantgrde der internationalen Klassenkämpfe war, als die sich sich - im Vertrauen auf ihre historische Prognose - stets genommen hatte? Wenn die Analogie zu Zimmerwald sich nicht in der Wirklichkeit bestätigt hatte, war das nicht Grund genug, die hohen Ansprüche, die man stellte, auch deutlich als das zu bezeichnen, was sie waren, nämlich eben als noch unerfüllte Ansprüche - statt sie als eine längst eroberte Bastion auszugeben?
Ein solches Ansinnen verwehrte jedoch die oberflächliche 'Orthodoxie'. Wenn man zugab, die Vierte Internationale ja im Grunde doch noch nicht zu sein, fürchtete man, nachträglich all jenen Zentristen innerhalb und außerhalb der eigenen Reihen Recht zu geben, die wie Isaac Deutscher 1938 gerufen hatten, die Zeit wäre "noch nicht reif" für die Proklamtion der Internationale, man müsse wieder einmal ein paar Jahre "warten", usw. ... Trotzki zugunsten von Deutscher desavouieren - nein, das mochte die formale 'Orthodoxie' nicht auf sich nehmen. Sie musste leugnen, dass sie den Ansprüchen, die sie selber an eine zentralisierte Weltpartei gestellt hatte, noch nicht gerecht zu werden vermochte - um im Laufe der Jahre diese Ansprücehe selbst mehr und mehr der Vergessenheit anheimfallen zu lassen.
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Dabei geht es gar nicht um die unhistorische und bornierte nachträgliche Fragestellung, ob die Gründung der Internationale 1938 "richtig" gewesen ist. Die korrekte Fragestellung lautet: War die Gründung notwendig gewesen? Hätte denn die Internationale während des Krieges entstehen können, ohne dass sie zuvor formell proklamiert worden wäre? Lag nicht die einzige Chance für die mögliche Herausbildung einer international zentralisierten, einheitlichen proletarischen Vorhut eben in dem Versuch, dieser Vorhunt von Anbeginn nicht nur eine feste programmatische, sondern auch schon, soweit irgend möglich, eine organisierte Gestalt zu geben? Unter diesem historischen Gesichtspunkt muss die Frage nach der Berechtiguung der Gründung von 1938 gestellt und beantwortet werden. Die Proklamation 1938 war die notwendige Voraussetzung für den Aufbau der kommunistischen Weltpartei gewesen; aber eben nicht eine hinreichende. Darin allein liegt noch kein Grund, sich ins programmatische Bockshorn jagen zu lassen. Seit wann hätten Revolutionäre von all ihren Unternehmungen eine verbindliche Grarantie für den Erfolg verlangt?
In jeder Hinsicht unberechtigt wäre die Gründung der Internationale allerdings dann gewesen, wenn Trotzkis Einschätzung des epochalen Charakters der Zweiten Weltkriegs grundsätzlich falsch gewesen wäre; wenn also die Möglichkeit der revolutionären Machtergreifung durch das Proletariat in mehreren wichtigen Ländern von Anfang an überhaupt nicht bestanden hätte. Dann wäre die Hoffnung, eine neue revolutionäre Organisation könnte sich durch das gleichzeitige Eingreifen in den revolutionären Prozess in mehreren Ländern zu einer proletarischen Führungskraft internationaler Dimension entwickeln, natürlich an sich schon absurd. Und erst, wenn man die Möglichkeit überhaupt nachträglich leugnete, war man tatsächlich gezwungen, mit dem Programm der Vierten Internationale zu brechen - oder genauer gesagt, diese Leugnung ist schon selber der Bruch mit dem Programm.
Aber es war auch kein Grund vorhanden, jede revolutionäre Möglichkeit grundsätzlich abzustreiten, denn nicht die revolutionäre Nachkriegskrise war ausgeblieben - nichts weniger als das! -, sondern 'lediglich' der Zerfall des mächtigsten antirevolutionären Bollwerks innerhalb der Arbeiterklasse, des Stalnismus. Selbst der bornierteste Positivist und gedankenloseste Impressionist konnte nicht leugnen, dass die Machteroberung durch das Proletariat unmittelbar am Ausgang des Krieges mindestens in Frankreich, Italien und Griechenland - um nur in Europa zu bleiben - von höchster praktischer Aktualität gewesen war - und gerade deshalb hatte sich der Imperialismus ja mit dem Stalinismus liieren müssen, denn hätten die Westmächte bereits 1945 den Kalten Krieg eröffnet, so hätten sie keinen Thorez gefunden, der den murrenden Arbeitermassen weizumachen verstand, dass die bewaffneten Arbeiter nichts nötiger bräuchten als "einen Staat, eine Armee, eine Polizei" - kurz, einen de Gaulle...
Es hätte also nichts vom Gehalt des Programms aufgegeben werden müssen - bloß die angenehme Illusion, die schwerste Augabe, den Kampf um die proletarische Avntgarde, schon hinter sich zu haben. Man hätte ich bewusst werden müssen, dass man die Vierte Internationale eben doch noch nicht war, jedenfalls nicht im Sinne einer demokratisch zentralisierten "Weltpartei der sozialistischen Revolution". Das ist wohlverstanden keine Frage des Namens - ob der Titel 'Internationale' aufgegeben worden wäre oder nicht, ist unerheblich, sofeern man mit dem Titel nicht auch das Programm, das dieser versinnbildlichen soll, über Bord geworden haben würde. Worauf es ankommt, ist die strategische Orientierung. Wenn die proletrische Avangarde in nahezu allen Ländern der Welt
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im Würgegriff des Stalinismus bleibt, wenn die Trotzkisten in den Ländern, wo sie im Klassenkampf eine führende Rolle spielen können, geschlagen und zurückgedrängt werden konnten (Indochina, später Bolivien), dann heißt das nichts anderes, als dass die trotzkistische Weltbewegung noch immer auf dem Status von Propagandagesellschaften reduziert war.